RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Sie sieht besser aus als ich. Adela sollte leben. Es muss ein Irrtum sein.
Das nächste Mädchen steigt hoch zum Todeskommando.
Wütend auf die selbsternannten Götter, die unser Leben bestimmen, möchte ich sie anschreien, ihnen ihren Irrtum aufzeigen. Doch ich muss mich selbst auf den Daumen vorbereiten. Ich drücke Dankas Hand noch ein letztes Mal, ehe ich loslasse, und gehe meinem Schicksal entgegen. Es gibt nur heiss und kalt, dazwischen gibt es nichts. Wir sind hungrig und elend. Nicht lange und wir sind vielleicht tot. Nicht krank, nicht heiss, nicht kalt – tot.
Adela Gross,
with permission from Gross family in USA
Mit vorgerecktem Kinn steige ich hoch zum Todeskommando. Der Daumen geht nach oben.
Danka folgt mir, steigt hoch zum Todeskommando. Der Daumen erlaubt uns beiden noch einen weiteren Tag zu leben. Das Mädchen hinter uns steigt hoch zum Todeskommando. [17]
Die Lastwagen laden die Mädchen, die Frauen, meine Freundin auf. Normalerweise schaue ich nicht hin, aber diesmal muss ich. Immer wieder lasse ich mir die Selektion durch den Kopf gehen, ich suche nach einem Grund für ihre Entscheidung. Warum? Warum? Es ist doch nichts Schlechtes an ihr. Sie ist eine hübsche junge Frau. Sie ist schön. Wir sind nichts als Schrott.
Die Wirklichkeit schlägt mir mitten in s Gesicht , als hätte Taube selbst zugeschlagen. Ihre Absicht ist nicht nur, uns zu zerstören und uns zu schänden, sie wollen zudem jede unserer moralischen Wertvorstellungen zum Gespött machen. Adela wird mit den anderen Frauen auf die Pritsche geworfen, aber sie wendet sich um und hilft denen, die nach ihr kommen. Ihr Kinn zeigt noch immer Mut und Würde. Sie hat keine Angst. Ihr Arm umfa ss t ein schwäche res Mädchen, dem die Knie nach geben. Die Lastwagen spucken ihre Auspuffgase aus, als sie auf die Gaskammern zufahren. Ich kann meine Augen nicht von dieser scheidenden Ge stalt losrei ss en. Es zerrt in mir ; als zöge eine Schnur an meinem Herzen. Als die Lastwagen abfah ren, stirbt ein Teil von mir mit Adela.
~ ~ ~
Wir arbeiten an den neuen Blöcken, graben Sand aus einem tiefen Loch und sieben ihn durch den Maschendraht. Dieses Graben und Sieben ist uns etwas Altvertrautes. Unsere Hände sind hart. Sie bluten nicht mehr von den langen Arbeitsstun den, nur noch gelegentlich, wenn wir die Ziegel werfen und diese uns wieder ins Fleisch schneiden. Aber diese Aufgabe ist seltener geworden, denn jetzt finden sie meist richtige Arbeit für uns. Wir beladen die Waggons mit Sand, schieben sie auf ein Gebäude zu, das näher an einem Männerkommando liegt als unseres. Die Waggons laufen jetzt auf Gleisen, sie zu schie ben ist nicht mehr so mühsam wie vor einem Jahr. Doch es ist immer noch schwierig, und al s wir den Sand an seinen Bestim mungsort hochziehen, kann ich nicht glauben, da ss wir diese Aufgabe jemals ohne Gleise über de n Hügel hoch und mit Holzbrettern an den Fü ss en geschafft haben.
Wir nähern uns den Män nern, die Gräben ziehen, um Roh re zu verlegen. Emma pa ss t auf die Gruppe auf, die den Sand siebt, und je weiter wir uns von ihr wegbewegen, um so mehr nähern wir uns den Männern auf Hörweite. Keine SS in der Nähe. Ein kostbarer Augenblick, ein paar Worte zu wechseln.
„Kommt eine von euch aus Polen?“, fragt ein Mann aus der Gruppe der arbeitenden Männer. Wir schaufeln den Sand neben dem Gebäude auf einen Haufen.
„Meine Schwester und ich“ , flüstere ich zurück. Jedes Wort wird abgewogen. Keins der anderen Mädchen achtet auf die Fetzen unseres Gesprächs.
„Woher kommt ihr?“ Der Waggon ist leer. Wir haken ihn seitlich fest und schieben ihn zurück zu den Sandhaufen. Wir laden ihn wieder voll. Es dauert lange. Mir ist hei ss , und ich wei ss nicht, ob es am warmen Wetter liegt oder an mei nen Nerven, da ss ich zittere, ic h sehne mich nach dem Gespräch mit diesem Fremden auf der anderen Seite des Zauns; ich würde gerne seinen Namen erfahren, seinen Geburtsort, von seiner Familie...
Ich schiebe diese Gedanken eines normalen Lebens dorthin zurück, wo sie hingehören, und grabe tief in die Erde und die Stei ne, die gesiebt werden müssen, ic h merke, da ss Danka langsamer geworden ist, un d verdopple rasch meine Anstrengungen, indem ic h alle paar Minuten etwas aus ihrem Gebiet hochschaufle.
„Nehmt den Waggon“ , weist Emma uns an. Ich packe ihn an der Seite und vergewissere mich, da ss meine Schwester sich auch noch festhalten kann. Wir schieben ihn zurück
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