RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
solche Leute sind gefährlich im Lager. Ich habe keinen Zweifel, da ss sie alles dransetzt, um sich zu retten, für mich aber nichts tun würde.
Ich sehe mir die Krätze in ihrem Gesicht an. Wenn ich ihr nicht helfe, stirbt s ie bei der nächsten Selektion. „ Wenn ich dir etwas Tinktur besorge, mu ss t du mir versprechen, keinem zu sagen, was ich für dich getan habe “ , erkläre ich ihr. Ich will nichts mit ihr zu tun haben.
„ Das verspreche ich. Nur dieses eine Mal. Wenn du mir hilfst, belästige ich dich nie wieder. “ Ich bin kaltherzig, habe wenig anderes im Sinn als meine Schwester und unser Über le ben. ich wende mich nicht ab von ihr, aber es verblüfft doch, da ss sie mir nicht ihr Stück Brot zum Tausch gibt, als ich zur Blockältesten gehe, und da sie es mir nicht anbietet, frage ich auch nicht danach.
Ich gehe mit meiner Brotration zur Blockältesten, tausche meine einzige Mahlzeit gegen die Tinktur ein, die sie braucht. Ich wei ss , da ss im umgekehrten Fall sie ihr Brot nicht für mich hingeben würde, sie gibt mir nicht einmal ihr Brot, wenn es um ihre Belange geht, doch von mir wird erwartet, da ss ich meins für sie opfere.
Sie rei ss t mir die Tinktur aus der Hand und versteckt sie schnell in ihrem Kleid. „Danke dir, Rena.“
„ Du mu ss t in Zukunft vorsichtiger sein“ , warne ich sie. Sie verschwindet in die Nacht. Ich komme mir nicht tugendhaft oder gut vor. Ich fühle mich ausgenutzt und hungrig, doch ich wei ss auch, da ss ich nie zurückblicken und bedauern werde, der Frau meines Cousins geholfen zu haben. Nur wenigen Dingen können wir in Birkenau aus dem Weg gehen, doch es hilft mir, wenn ich versuche, meinem Handeln ein wenig Würde z u ge ben, es erinnert mich an zu Hause.
Die jüdischen Bettler kamen freitags, vor dem Sabbat, an unsere Tür. Mama lie ss Danka und mich Säcke aus Leinen mit Stroh stopfen, damit sie in der Küche darauf schlafen konnten. Am Tag nach Sabbat mu ss te Mama dann das Stroh ver bren nen, die Böden schrubben u nd die Laken und Kopfkissen aus kochen, um die Läuse und Flöhe loszuwerden, die sie da gelas sen hatten. Danka und mir gefielen diese Putzaktionen gar nicht, aber Mama erinnerte uns daran, da ss diese Leute auch Kinder hatten und weniger glücklich waren als wir. Dasselbe galt für Zigeuner und Bettler; keiner, der zu uns an die Türe kam, ging mit leeren Händen.
Das ist mein Erbe: jeden mit menschlicher Würde zu behan deln.
Vier Uhr morgens.
„Raus! Raus!“
Der Horizont verdunkelt sich. Der Windschlägt um. Er beisst in der Nase. Regenwolken riechen anders.
Ich spüre, wie ich mich von meinem Körper löse; das passiert manchmal und ich bin dagegen hilflos. Die Kamine rauchen. Ich sehe mich wegbewegen, als machte ich einen Schritt zur Seite und liesse meinen Körper zurück. Schritte nähern sich. Meine Augen bewegen sich dem Geräusch entgegen; mein Geist rührt sich nicht.
Hasse lächelt wie eine Jägerin, die ihre Beute gefunden hat und vorhat, ihr bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen. Das entspricht ihren Gefühlen für uns, rücksichtslos und fähig, uns ohne zu zögern den Hals zu brechen.
Sie schnipst mit ihrer Hand in Richtung der grauen Wolken, die den düsteren Himmel überziehen. „Seht nur, wie die französischen Modelle brennen!“
Egal, wer du auch bist, ob reich, schön oder elegant – wenn du Jude bist, bist du nichts! Sie macht sich ständig lächerlich über uns, freut sich hämisch. Ihre Grausamkeit ist unfassbar für mich. Sie läuft unsere Reihen ab, zählt und lächelt, eine Sadistin, die jeder von uns ihr Messer ins Herz stösst, nur weil es ihr Spass macht.
Aufgereiht warten wir auf die Selektion. Es ist ein langer Tag; kein Essen, kein Wasser. Ich habe Adela Gross nur ein paar Mal im Lager gesehen. Wir kennen einander nicht, aber ich weiss, dass sie die Tochter eines Rabbis aus Hummene ist. Ich frage mich, ob sie auch im ersten Transport war. Es fällt mir nicht mehr ein.
Die Schlange bewegt sich und ich erhasche einen Blick auf Adela, die nach vorne geht. Einen Augenblick bin ich überrascht von ihrer Schönheit und ich erinnere mich an ihre hinreissenden roten Locken vor der Rasur. Es erstaunt mich, dass sie trotz der Entbehrungen im Lager noch so hübsch aussieht.
Sie steigt hoch zum Todeskommando. Die SS starrt sie an. Ihr Kinn ist leicht geneigt, zeigt tapfer nach oben.
Der Daumen schickt sie weg. Sie geht zur Gruppe der Verdammten.
Ich bin verwirrt. Wie kann man sie aussondern?
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