RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Augen, ohne in meiner Arbeit innezuhalten. Der Waggon wird bald geleert sein. Es ist keine SS zu sehen. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit. Ich mache einen Schritt auf den Stein zu, immerzu schaufelnd. Gleich wer den wir fer ig sein. Schaufeln, schaufeln. Ich bücke mich rasch und meine Hand landet direkt auf der Nachricht. Ich drücke das Papier fest an den Stein und lasse dann den Stein aus meiner Hand gleiten. Wir stehen an den Seiten des Waggons, bereit zum Schieben. Noch ein Augenblick, eine Sekunde, bis es losgeht, und in diesem Bruchteil rücke ich meinen Schuh zurecht und lasse die Notiz unter meinen Fu ss gleiten. Wir schieben.
Der Nachmittag schleppt sich dahin. Danka schwitzt. Ich mu ss doch etwas tun können. Die Ängste des Morgens sind dahin. Es ist keine Zeit, s ich Gedanken über den Tod zu ma chen. Wir leben; ich kann nur alles versuchen, da ss es so bleibt.
„ Halt! “ Rasch bringen wir unsere Schaufeln in den Geräteschuppen und stellen uns auf. „Marsch!“ Wir marschie ren ins Lager. „Kopf hoch!“ Wir heben unser Kinn und unsere Fü ss e, als wären wir stolz darauf, Sklaven des Dritten Reiches zu sein. Das einzige, worauf wir stolz sein können, ist, da ss heute niemand getragen werden mu ss . Heute ha ben wir alle die Peit schenhiebe und Stiefel der Nazis überlebt, doch ein verbor ge ner Feind ist unter uns.
Wenn heute N acht nichts passiert, werden Danka und ich morgen wieder zu Emma zu rückkehren, wie wir das seit Wo chen, Monaten - seit jetzt ü ber einem Jahr täglich tun. Mor gen werden wir keine in unserer Gruppe kennen, so wie wir auch heute keine kannten. Wir achten nicht auf Gesichter. Wir überleben, indem wir das Ver gängliche ignorieren und aufge hört haben, uns darum zu kümmern, ob jemand längere Zeit in unserer Gruppe mit uns arbeit et, denn es ist sinnlos, vergeb lich, deprimierend. Sie existieren nicht.
Nach dem Appell nehmen Danka und ich unser Brot ent ge gen und lesen aufgeregt die Nachricht, die wir von dem Mann im Arbeitskommando bekommen haben: „ Ich bin Heniek. Mein Freund hei ss t Bolek. Und wie hei ss t ihr?“
„Welcher, glaubst du, mag mich?“, will Danka wissen.
„ Schau dich an, du wirst ja ganz rot bei dem Gedanken, mit einem Jun gen im Lager zu flirten“ , necke ich sie und fürchte dabei, da ss sie wegen ihrer Kran kheit rot ist und nicht aus Liebe. „ Ich werde mir von der Blockältesten ein Stück Papier holen, um ihnen eine Botschaft zu schi cken. Du wartest hier.“
Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich Typhus, und ich kenne die Symptome dieser Krankheit. Doch wenn das auch neben Krätze die häufigste Krankhe it im Lager ist - Danka hat kei nen Typhus. Ich kenne den Fe ind nicht. Ich habe drei Missio nen zu erfüllen, als ich Danka zurücklasse: Ich mu ss ein Stück Papier organisieren, ich mu ss herausbe kommen, ob eine Epide mie im Lager grassiert, ich mu ss drau ss en nach etwas E ss barem suchen. Wann immer ich ein wenig Kraft übrig habe, durch kämme ich das Lager nach Leckerbissen.
Als ich im Schatten herumschleiche, komme ich an der Küche vorbei, alle Sinne in Alarmbereitschaft. Endlich, als meine Augen un d Beine schon vor Müdigkeit auf geben wollen, erspähe ich ein Stück Kartoffel auf dem Boden, ic h packe es und schnelle zurück an die Wand. Es ist ein kleines Stück, kaum gro ss genug für einen Bissen, ic h starre darauf und suche nach einer passenden Stelle, es zu halbieren. Schlie ss lich grabe ich meinen Fingernagel in das Fruchtfleisch, damit ich wei ss , wie viel ich für Danka übriglassen mu ss . Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, aber ich koste nicht einmal davon, ehe ich es mit meiner Schwester teilen kann.
Zurück im Block gehe ic h zur Tür der Blockältesten. Sie scheint heute A bend gute Laune zu haben, denn sie gibt mir ein Stück Papier und eine n Bleistiftstummel. „ La ss dich nicht damit erwi schen.“
„ Darf ich dich etwas fragen? “ Ich denke mir, es ist einen Versuch wert. Wenn jemand wei ss , was im Lager die Runde macht, dann eine Blockälteste.
„ Was denn? “ Es scheint ihr nichts auszumachen, da ss ich ihre Zeit in Anspruch nehme.
„ Grassiert hier im Lager eine Krankheit, bei der man Fieber und Krusten auf den Lippen bekommt?“
Sie betrachtet mich argwöhnisch aus der Nähe. „ Sumpffieber – Malaria " , sagt sie und macht vor meinem verzweifelten Gesicht die Tür zu." [18]
Ich denke über ihre Worte nach, als ich Heniek und Bolek schreibe. Ich streiche unsere
Weitere Kostenlose Bücher