Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
sagte Mr Grey.
    „Nein." Na ja, vielleicht ja doch.
    „Ihnen ist schon klar, was wir hier machen, oder?", erkundigte er sich.
    „Ich dachte, ja", brummte sie.
    „Ihnen ist vielleicht aufgefallen, dass man über Sie spekuliert."
    Annabel unterdrückte ein Schnauben. „Kann man wohl sagen."
    „Aber, aber, Miss Winslow, entdecke ich da eine Spur Sarkasmus in Ihrer Stimme?"
    „Nur eine Spur."
    Er sah aus, als würde er lachen wollen, tat es dann aber nicht. Ihr wurde klar, dass diese Miene recht typisch für ihn war. Er konnte fast allem eine komische Seite abgewinnen.
    Eine seltene Gabe und vielleicht der Grund, warum jeder gern mit ihm zusammen war. Er war ein glücklicher Mensch, und vielleicht färbte dieses Glück ja auf jene ab, die ihm nahe waren. Glück war vielleicht wie eine Erkältung. Oder die Cholera.
    Ansteckend. Das gefiel ihr. Ansteckendes Glück.
    Sie lächelte. Weil sie nicht anders konnte. Sie sah ihn an, denn auch da konnte sie nicht anders, und er erwiderte den Blick. Seine Miene war neugierig, als wollte er ihr eine Frage stellen, vermutlich warum sie auf einmal wie eine Irre lächelte, da ...
    Annabel fuhr zusammen. „War das ein Schuss?"
    Er sagte nichts, und als sie ihn genauer ansah, erkannte sie, dass er kreidebleich geworden war.
    „Mr Grey?" Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Mr Grey? Alles in Ordnung?"
    Immer noch sagte er nichts. Annabels Augen wurden größer, und obwohl sie wusste, dass er unmöglich angeschossen worden sein konnte, ertappte sie sich dabei, wie sie ihn von oben bis unten musterte und dabei halb erwartete, Blut zu entdecken.

    „Mr Grey?", sagte sie noch einmal, denn so hatte sie ihn noch nie gesehen. Und auch wenn sie nicht behaupten konnte, ihn gut zu kennen, wusste sie doch, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sein Gesicht war reglos und angespannt, sein Blick driftete ins Leere. Körperlich war er anwesend, aber geistig schien er weit, weit weg zu sein.
    „Mr Grey?", sagte sie wieder, und diesmal drückte sie seinen Arm, als wollte sie ihn wecken. Er zuckte zusammen und wandte den Kopf. Auch wenn er sie ansah, dauerte es eine Weile, bis er sie richtig sah, selbst dann blinzelte er ein paar Mal, ehe er sagte: „Bitte verzeihen Sie."
    Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Wofür hätte er sich denn entschuldigen können?
    „Es ist dieser verdammte Wettkampf", brummte er.
    Sie war nicht so dumm, ihn wegen seiner Ausdrucksweise zu schelten. „Was für ein Wettkampf?"
    „Irgendein blöder Schützenwettkampf. Mitten im Hyde Park", stieß er hervor. „Ein Haufen Idioten. Wie kommen die bloß dazu?"
    Annabel wollte etwas sagen. Sie spürte, wie sich ihre Lippen bewegten, doch sie brachte keinen Ton heraus. Daher schloss sie den Mund. Lieber schweigen, als etwas Albernes sagen.
    „Letzte Woche waren sie auch schon dabei", sagte er.
    „Ich glaube, sie sind direkt hinter dieser Anhöhe", sagte Annabel und deutete hinter sich. Der Schuss hatte sich angehört, als wäre er aus nächster Nähe abgefeuert worden.
    Nichts, was sie hätte erzittern lassen; man konnte nicht auf dem Land aufwachsen, ohne in schöner Regelmäßigkeit Schüsse zu hören. Dieser hier war allerdings schon ziemlich laut gewesen, und wenn man aus dem Krieg ...
    Der Krieg. Das musste es sein. Ihr Großvater väterlicherseits hatte in den Kolonien gekämpft und war danach auch immer zusammengefahren, wenn irgendwo ein lautes Geräusch ertönte. Niemand hatte es je angesprochen. Die Unterhaltung stockte kurz und wurde dann wieder aufgenommen, als wäre nichts passiert. Bei den Winslows war dies ein ungeschriebenes Gesetz gewesen. Und es war ihnen allen durchaus zupassgekommen.
    Tatsächlich?
    Der restlichen Familie war es recht gewesen, aber was war mit ihrem Großvater? Er war die Leere in seinem Blick nie mehr ganz losgeworden. Und er weigerte sich, nach Anbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen. Gern taten sie es alle nicht, aber wenn es sein musste, überwanden sie sich dazu. Ihr Großvater nicht. Wenn es dunkel wurde, war er im Haus. Egal in welchem. Mehr als einmal war er überraschend als Übernachtungsgast bei irgendeinem Bekannten gestrandet.
    Und Annabel fragte sich - hatte ihn je einmal einer darauf angesprochen?
    Sie sah zu Mr Grey auf und hatte plötzlich das Gefühl, als würde sie ihn jetzt sehr viel besser kennen als noch eine Minute zuvor.
    Aber vielleicht doch nicht gut genug, um etwas zu sagen.
    Mühsam wandte er den Blick von dem ab, was immer

Weitere Kostenlose Bücher