Rendezvous im Hyde Park
und nickte zu Louisa hinüber.
Annabel schüttelte den Kopf.
„Weiß irgendwer etwas?"
„Nein."
„Verstehe."
Sie war sich nicht sicher, was es dabei groß zu verstehen gab, aber vielleicht sah er ja etwas, was ihr entgangen war.
„Ziemlich plötzlich, diese Einladung aufs Land, findest du nicht?", murmelte er.
Annabel rollte mit den Augen. „Ich glaube, dahinter steckt meine Großmutter."
„Und sie hat mich eingeladen?"
„Nein, ich glaube mich zu erinnern, dass sie gesagt hat, sie hätte nicht verhindern können, dass du eingeladen wirst."
Das entlockte ihm ein Lachen. „Ich bin so beliebt."
Annabels Herz setzte einen Schlag aus.
„Was ist?", fragte er, als er ihre erschrockene Miene sah.
„Ich weiß nicht. Ich ..."
„Hier!", verkündete Louisa triumphierend und kam zu ihnen zurück. In der Hand hielt sie einen runden, flachen Stein. „Der ist genau richtig, um ihn hüpfen zu lassen."
„Darf ich mal sehen?", fragte Sebastian.
„Aber nur, wenn Sie versprechen, ihn nicht selbst zu werfen."
„Ich gebe Ihnen mein Wort."
Sie reichte ihm den Stein, und er drehte und wendete ihn, um Form und Gewicht zu prüfen. Achselzuckend gab er ihn zurück.
„Sie finden ihn nicht geeignet?", fragte Louisa ein wenig pikiert.
„Er ist nicht schlecht."
„Er versucht nur, dich zu verunsichern", erklärte Annabel.
Entrüstet keuchte Louisa auf. „Ist das wahr?"
Sebastian warf Annabel ein träges Lächeln zu. „Wie gut Sie mich kennen, Miss Winslow."
Louisa stolzierte wieder zum Ufer. „Das war äußerst unritterlich von Ihnen, Mr Grey."
Sebastian lachte und lehnte sich gegen den Felsen, auf dem Annabel saß. „Ich mag deine Cousine", sagte er.
„Ich auch."
Louisa atmete tief durch, konzentrierte sich und warf den Stein mit, wie Annabel fand, erstaunlicher Sicherheit.
Sie alle zählten mit. „Eins ... zwei... drei... vier ... fünf ...
sechs!"
„Sechs Mal!", kreischte Louisa. „Ich hab's geschafft!
Sechs Mal! Ha!" Das galt Annabel. „Hab ich dir doch gesagt, dass ich sechs Mal schaffe."
„Jetzt müssen Sie es sieben Mal versuchen", sagte Sebastian.
Annabel prustete vor Lachen.
„Heute nicht", erklärte Louisa. „Heute erfreue ich mich an meinem Sechstum."
„Ihrem Sechstum?"
„Meiner Sechsität."
Annabel begann zu grinsen.
„Meiner Sechsulation", verkündete Louisa. „Außerdem", fügte sie hinzu und musterte Sebastian streng, „haben Sie Ihre sieben Mal auch noch nicht gezeigt."
Sebastian gab sich geschlagen. „Das war vor vielen, vielen Jahren."
Louisa schenkte beiden ein würdevolles Lächeln. „Und nun verabschiede ich mich, ich glaube, ich möchte ein wenig feiern. Ich sehe euch dann später. Vielleicht viel später."
Mit diesen Worten entfernte sie sich und ließ Annabel und Sebastian miteinander allein.
„Hatte ich gesagt, dass ich deine Cousine mag?", überlegte Sebastian. „Ich glaube, ich liebe sie." Er legte den Kopf schief. „Rein platonisch natürlich."
Annabel atmete tief ein, doch als sie die Luft ausstieß, fühlte sie sich zittrig und nervös. Sie wusste, dass er eine Antwort wollte, und er hatte auch eine verdient. Aber sie hatte keine für ihn. Nur ein schrecklich leeres Gefühl im Inneren.
„Du siehst müde aus", sagte sie. Was der Wahrheit entsprach.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht gut geschlafen. Das tue ich selten."
Seine Stimme klang so merkwürdig, dass sie ihn genauer ansah. Er sah sie nicht an, sein Blick war auf irgendeinen Punkt in der Ferne gerichtet. Eine Wurzel, wie es aussah.
Dann schaute er auf den Boden, wo er gerade mit einem Fuß Dreck herumschob. Sein Gesichtsausdruck kam ihr irgendwie bekannt vor, und dann fiel es ihr ein - er sah genauso aus wie an jenem Tag im Park, nachdem er die Zielscheibe zerschossen hatte.
Und hinterher nicht darüber hatte reden wollen.
„Tut mir leid für dich", sagte sie. „Furchtbar, wenn man nicht einschlafen kann."
Er zuckte noch einmal mit den Schultern, doch die Bewegung wirkte gezwungen. „Ich bin es gewohnt."
Einen Moment sagte sie nichts, und dann wurde ihr klar, dass die offensichtliche Frage „Warum?" lautete.
„Warum?", wiederholte er.
„Ja. Warum schläfst du so schlecht? Weißt du das?"
Sebastian setzte sich neben ihr und starrte hinaus aufs Wasser, wo von den Steinen noch immer ein paar Wellen-ringe zu sehen waren. Er dachte einen Augenblick nach und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen.
Aber er sagte dann doch nichts.
„Ich habe für
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