Rendezvous in Kentucky
sich beim Klang dieser unverkennbaren
Stimme um. Doll stand, wie üblich, neben Gaylon. Devon hob ebenfalls den Kopf und lockerte seinen Griff um Linnet etwas. Sie lächelte ihn noch einmal an, dann stürmte sie zu Doll und umarmte ihn mit solcher Wucht, daß er beinahe umgefallen wäre. Gelächter brandete auf, als jeder jeden umarmte.
Corinne hielt Linnet zaghaft fest: »Bist du noch böse, weil ich dich so angelogen habe?«
»Nein«, erwiderte Linnet ehrlich. »Es ist nun doch alles gut ausgegangen — das allein zählt.«
Corinne schniefte gerührt und blickte weg, als Worth Jamieson voller Stolz Linnet seine junge Frau vorstellte.
»Was ist los, Junge? Hast wohl Angst, daß du sie wieder verlierst, was?«
Aus den Augenwinkeln sah Linnet einen finster blickenden Devon auf sich zukommen.
»Ist ja auch verständlich«, fuhr Gaylon fort. »Wenn ich ein so hübsch angezogenes Mädchen in den Wäldern finden würde, hätte ich auch Angst davor, daß sie mir einer wegschnappt!«
Linnet sah betreten an sich herunter. Der Rock ihres Kleides war an einer Seite bis zur Hüfte aufgerissen. Am Oberteil fehlten ein Schulterstück und der halbe Halsausschnitt.
»Ihr beide habt euch kein bißchen verändert — immer noch mischt ihr euch in Dinge ein, die euch nichts angehen!« knurrte Devon erbost.
»Uns nichts angehen!« explodierte Doll. »Als wir euch fanden, wart ihr schließlich —«
»Laßt doch eure kindischen Streitereien sein«, befahl Agnes barsch. »Vielleicht hat’s ja noch keiner von euch bemerkt, aber hier sieht’s schlimm aus!« Ihre Worte brachte allen die Verwüstung, die um sie herum herrschte, zu Bewußtsein.
»Cord«, verkündete Linnet rauh. »Sie haben ihn umgebracht.«
»Wir wissen Bescheid.« Esther klopfte beruhigend auf ihren Arm. »Du mußt immer dran denken, daß er nicht gelitten hat. Wir haben ihn schon begraben.«
»Genug geschwätzt!« rief Agnes. »Laßt uns jetzt die Indianer hier unter die Erde bringen. Esther, du und Corinne, ihr nehmt Lynna und Mac mit. Sie müssen sich ausruhen.« Sie musterte Devon kritisch. »Du machst mir jetzt keinen Ärger, ja? Ich kann deinen häßlichen Rücken nicht mehr sehen! Wird einem ja schlecht, wenn man nur draufguckt!«
»Du solltest erst mal seine Füße sehen!« platzte Linnet heraus. Die anderen blickten sie schweigend an. Bis Doll anfing zu lachen.
»Los, Corinne, bring sie weg! Und daß du mir nicht wieder Unfrieden zwischen den beiden säst, wie du’s schon mal gemacht hast!« ermahnte Doll seine Tochter.
»Aber, Pa«, erwiderte Corinne beleidigt. »Ich bin doch jetzt mit Jonathan verheiratet.« Sie wandte sich an Linnet. »Ich bin Mutter von ’nem kleinen Jungen.«
Linnet hätte ihr gern von Miranda erzählt, doch dann ließ sie es lieber. Devon nahm ihre Hand, hielt sie fest und weigerte sich sie loszulassen. Dankbar klammerte sie sich an ihn. Es schien alles wie ein schöner Traum zu sein, und sie hatte Angst, daß sie erwachen würde und wieder an den Marterpfahl gebunden war.
Die anderen kehrten bald zurück. Agnes deutete auf einen großen, dünnen, blonden Mann, den Linnet nicht kannte. »Das ist Lester Sawrey. Ist nach deiner Zeit nach Sweetbriar gekommen.« Lester schien ein bedeutender Mann zu sein.
Lyttle ging fort, um mit Jonathan die Pferde zu holen, die im Wald versteckt waren. Alle setzten sich um ein großes Feuer. Als der Proviant eintraf, begannen sie hungrig zu essen.
»Wie geht es Lincoln?« fragte Linnet Esther nach dem Baby, bei dem sie Hebammendienste geleistet hatte.
»Du lieber Himmel!« mischte sich Agnes ein. »Esther hat noch ein Kind geboren, seit du weggegangen bist! Wird Zeit, daß Mac zurückkommt und Doll wieder bei sich im Laden beschäftigt, sonst kriegt die arme Esther ein Baby nach dem anderen!«
Esther verbarg errötend ihr Gesicht, doch Doll grinste von einem Ohr zum anderen.
»Woher wußtet ihr Bescheid?« erkundigte sich Devon und blickte von einem zum anderen.
»Phetna«, erwiderte Doll und wies auf die alte Frau. »Da saß ich doch friedlich auf meiner Veranda und habe mir so meine Gedanken gemacht. War am Arbeiten wie immer.« Seine Augen funkelten vergnügt. »Da streckt mir auf einmal dieses scheußliche Weib seinen Kopf entgegen und grinst mich an! Na, ich hab’ sie gleich erkannt! Phetna ist immer schon so häßlich gewesen, daß ein Mann bei ihrem Anblick weiße Haare bekam. Ich finde, sie hat sich kein bißchen verändert!«
Er hielt inne und sah seine Zuhörerschaft an.
Weitere Kostenlose Bücher