Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
kämpften zusammen. Chip war offenbar eine Art Sancho Panza für Daniel als Don Quichotte und ein Bruder im Herzen und im Geiste. Als Daniel den Militärdienst quittierte, tat Chip es ihm gleich. Er verbrachte Wochen an Daniels Krankenbett. Gleichgültig, ob während oder außerhalb des Dienstes, Daniel schien auf Chip angewiesen zu sein, und Chip wich ihm niemals von der Seite.
Ginny Ford, eine Hausfrau, wuchs in einer Oberschicht-Familie von Lake Forest, Illinois, auf, ging auf das Lake Forest College, heiratete in eine andere gutbetuchte Familie ein und wurde die misshandelte Frau eines Wirtschaftsbosses. Nach fünfzehn Jahren Ehe mit diesem Mistkerl traf sie eines Tages im Parkhaus eines Einkaufszentrums in einem Vorort von Chicago auf Joe Daniel, der gerade seinen Urlaub in der Heimat verbrachte. Daniel ging zufällig vorbei, als Ginnys Ehemann sie neben ihrem Lexus grün und blau prügelte. Joe Daniel griff ein.
Der Bericht auf der CD war nicht sonderlich detailliert, aber infolge des Vorfalls veranlasste Ginny eine einstweilige Verfügung und schließlich die Scheidung, woraufhin sich alles für sie zum Guten wendete. Sie bekam das Haus und die Kinder, und ihr Ex-Mann zog – vermutlich war Daniel an dieser Entscheidung nicht ganz unbeteiligt – an das andere Ende des Landes. Ginny arbeitete bei Daniels erster politischen Kampagne mit und bildete eine Art Ein-Mann-Fanclub. Als sie während eines Interviews sagte, dass sie Joe Daniel ihr Leben verdankte, meinte sie es wörtlich.
Und dann gab es noch LaDonna Chavez. Die fünfunddreißig Jahre alte Anwältin stammte aus einer Familie kalifornischer Aktivisten und war entfernt verwandt mit dem berühmten Cäsar. Das Verhalten des Ölkonzerns Exxon nach der furchtbaren Ölkatastrophe durch den leckgeschlagenen Tanker Exxon Valdez hatte sie offenbar zur Weißglut getrieben. Sie meldete sich als Freiwillige bei Greenpeace, wurde aber schon bald festangestellte und bezahlte Anwältin der Organisation. Ihr Bruder, Roberto Chavez, befand sich in etwa zur selben Zeit wie Daniel in Afghanistan, wurde allerdings im Gegensatz zu ihm in einem Leichensack in die Staaten zurückgeflogen. LaDonna trat Daniels Team während der Kongresswahlen bei und spielte eine wichtige Rolle bei seiner Präsidentschaftskandidatur. Bei ihr erregte nichts meine Aufmerksamkeit.
Daniel hatte sich wie Saulus zum Paulus vom Krieg zum Frieden gewandelt. Seine engsten Vertrauten wirkten alle vollkommen einwandfrei. Aber irgendetwas stimmte trotzdem nicht, vielleicht fehlte auch irgendeine wichtige Information – ich konnte nur nicht genau sagen, was es war.
Während ich wieder und wieder darüber nachgrübelte, öffnete ich das falsche Bücherregal, streifte meine Kleidung ab, kletterte nackt in meinen Sarg und zog die pinkfarbene Satindecke über mich. Die Dunkelheit senkte sich schnell herab, trotzdem schlief ich unruhig. Ich träumte von jemandem, der eine Kabuki-Maske trug und Gift in eine Tasse schüttete. Ich träumte von Fitz, der mir etwas nachrief, als ich den Raum verließ. Ich träumte von der ekstatischen Erfahrung, Darius zu beißen … und ich träumte davon, es erneut zu tun.
Kapitel 5
Wir müssen selbst der Wandel sein,
den wir in der Welt sehen wollen.
Mohandas Gandhi zugesprochen
S üße, du siehst irgendwie so … na ja, so … seltsam aus«, stellte Benny fest, als ich sie in der Lobby meines Apartmentgebäudes traf. Die Dämmerung war über die Stadt hereingebrochen. Ein kalter, schneidender Wind rüttelte an den Fenstern und blies Papierfetzen die Straße entlang. Ich hatte mich wie ein Öko gekleidet. Meine Jeans war an Knien und Oberschenkeln kunstvoll zerschlissen. Ich trug Holz-Clogs und hatte meinen Louis-Vuitton-Rucksack gegen eine handgefertigte Tragetasche aus Guatemala ausgetauscht. Meine Ohrringe stammten aus Indien, die silbernen Ringe aus Mexiko und meine gestreifte und handgestrickte Mütze aus Alpaka-Wolle aus Peru.
»Wirklich? Ich hatte gehofft, dass ich niedlich und ein bisschen alternativ wirke.«
»Das tust du auch! Du ziehst dich nur normalerweise ganz anders an«, beruhigte sie mich, während wir auf die Tür zustrebten.
»Wir sind Spione, Benny«, erwiderte ich mit leiser Stimme. »Das nennt man Tarnung. Schließlich tun wir so, als wollten wir der Präsidentschaftskampagne von Joe Daniel beitreten.«
Bennys perfekt geschminktes Gesicht nahm einen alarmierten Ausdruck an. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Manchmal glaube ich, mein
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