Rendezvous mit einem Mörder
stand Roarke, in Hose und noch nicht zugeknöpftem Hemd, und überflog die Morgenzeitung auf dem Monitor.
Er wirkte, wie sie halb erfreut und halb entgeistert dachte, als wäre er an diesem Ort daheim.
»Was machst du da?«
»Hmmm?« Er hob den Kopf, griff hinter sich und öffnete den AutoChef. »Ich mache dir gerade einen Kaffee.«
»Du machst mir einen Kaffee?«
»Ich habe dich herumlaufen gehört.« Er nahm die beiden Tassen aus dem Gerät und trug sie dorthin, wo sie in der Tür stand. »Das tust du viel zu selten.«
»Herumlaufen?«
»Nein.« Mit einem leisen Lachen küsste er sie auf den Mund. »Mich anlächeln. Mich schlicht anlächeln.«
Lächelte sie ihn an? Das hatte sie gar nicht gewusst. »Ich dachte, du wärst schon gegangen.« Sie ging um den kleinen Küchentisch herum und blickte auf den Bildschirm. Börsenberichte. Natürlich. »Du musst früh aufgestanden sein.«
»Ich musste ein paar Anrufe erledigen.« Er betrachtete sie und genoss es, wie sie sich mit den Fingern durch die feuchten Haare fuhr. Eine nervöse Geste, die ihr ganz sicher nicht bewusst war. Er nahm das Handy, das er auf dem Tisch hatte liegen lassen, und schob es zurück in seine Tasche. »Ich hatte eine Konferenzschaltung mit der Raumstation beantragt – fünf Uhr unserer Zeit.«
»Oh.« Sie hob ihre Tasse an die Lippen und fragte sich, wie sie je ohne den Kick echten Kaffees wach geworden war. »Ich weiß, dass diese Treffen wichtig waren. Tut mir Leid.«
»Wir hatten bereits die meisten Dinge besprochen. Den Rest kann ich auch von zu Hause aus erledigen.«
»Dann fliegst du also nicht noch mal zurück?«
»Nein.«
Sie wandte sich an den AutoChef und betrachtete die eher begrenzte Auswahl an Frühstücksutensilien. »Die meisten Sachen sind alle. Willst du vielleicht ein süßes Brötchen oder so?«
»Eve.« Roarke stellte seine Tasse auf die Seite und legte seine Hände sanft auf ihre Schultern. »Warum soll ich nicht merken, dass du dich darüber freust, dass ich nicht wieder fortfliege?«
»Dein Alibi ist hieb- und stichfest. Es geht mich nichts an, wenn du – « Sie brach ab, als er sie zu sich umdrehte. Er war offensichtlich wütend. Das konnte sie an seinen Augen sehen, und eilig wappnete sie sich für den sicher ausbrechenden Streit. Nicht gewappnet jedoch war sie für den Kuss, für die Art, in der sich seine Lippen fest auf ihren Mund legten, die Art, in der er es schaffte, ihr Herz langsam und verträumt in ihrer Brust herumzurollen.
Also ließ sie sich von ihm halten und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll«, murmelte sie. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber ich brauche Regeln, an die ich mich halten kann. Ich brauche einfach feste Regeln.«
»Ich bin nicht einer deiner Fälle, die du lösen musst.«
»Ich weiß nicht, was du bist. Aber ich weiß, dass das alles zu schnell geht. Es hätte gar nicht erst anfangen dürfen. Ich sollte gar nicht in der Lage sein, mich derart mit dir einzulassen.«
Er schob sie ein Stück zurück und sah ihr fragend ins Gesicht. »Und warum nicht?«
»Das ist ziemlich kompliziert. Ich muss mich anziehen. Ich muss zurück zur Arbeit.«
»Gib mir wenigstens einen kleinen Anhaltspunkt.« Sein Griff um ihre Schultern wurde fester. »Ich weiß schließlich auch nicht, wer du bist.«
»Ich bin ein Cop«, platzte es vehement aus ihr heraus. »Das ist alles, was ich bin. Ich bin dreißig Jahre alt und stand in meinem ganzen Leben nur zwei Menschen jemals nahe. Und selbst ihnen gegenüber kann ich mich, wenn es sein muss, problemlos verschließen.«
»Inwiefern verschließen?«
»Indem ich mir die Beziehung nicht weiter zu Herzen nehme. Wenn eine Sache zu wichtig wird, kann sie dich zermalmen, bis nichts mehr von dir übrig ist. Ich war schon mal ein Nichts. Ich kann es mir einfach nicht leisten, noch einmal ein Nichts zu sein.«
»Wer hat dich derart verletzt?«
»Ich weiß nicht.« Doch sie wusste es. Sie wusste es genau. »Ich erinnere mich nicht, und ich will mich auch gar nicht erinnern. Ich war ein Opfer, und wenn man das einmal gewesen ist, muss man alles Notwendige tun, um es nicht noch einmal zu werden. Das war alles, was ich war, bevor ich auf die Polizeischule kam. Ein Opfer, eine Marionette, die von anderen entweder in die eine Richtung geschoben oder in die andere Richtung gezerrt wurde.«
»Denkst du, das täte ich auch?«
»Ich weiß, dass es passiert.«
Es gab so viele Fragen, die er ihr stellen musste.
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