Rendezvous mit Rama
See die Rohstoffe ... immerhin war das ja auch auf der Erde so, wenn auch ein bisschen anders ... Ich glaube, New York ist eine Fabrik, in der - Ramaner hergestellt werden.«
Irgendwo kicherte einer, verstummte jedoch bald und gab sich nicht zu erkennen.
»Wissen Sie, Ravi«, sagte der Kommandant schließlich, »diese These ist so verrückt, dass sie richtig sein könnte. Und ich bin nicht sicher, dass ich sie gern überprüfen möchte ... Jedenfalls nicht, bevor wir wieder auf dem Festland sind.«
Dieses stellare New York war in etwa so groß wie die Insel Manhattan, aber seine Geografie war eine völlig andere. Es gab nur wenige gerade Traversen; stattdessen ein Labyrinth von kurzen konzentrisch angeordneten Bögen, durch radiale Speichen miteinander verbunden. Glücklicherweise war es im Innern Ramas unmöglich, die Orientierung zu verlieren: Ein
Blick zum Himmel genügte, um die Nord-Süd-Achse dieser Welt festzustellen.
Sie hielten fast an jeder Kreuzung an und machten Panoramafotos. Nach systematischer Auswertung dieser Hunderte von Bildern würde es eine zwar mühselige, aber doch recht einfache Arbeit sein, ein genaues Modell dieser Stadt im verkleinerten Maßstab zu konstruieren. Norton vermutete, dass das Puzzlespiel, das sich daraus entwickeln würde, den Wissenschaftlern mehrerer Generationen zu tun geben würde.
Es fiel übrigens hier weit schwerer, sich an die Stille zu gewöhnen als draußen auf der Ebene von Rama. Eine Stadtmaschine musste eigentlich geräuschvoll sein; und doch hörte man nicht das leiseste elektrische Summen, nicht das geringste Flüstern von mechanischer Bewegung. Mehrmals legte Norton das Ohr auf den Boden oder gegen die Wand eines Gebäudes und lauschte angespannt. Er konnte nur das Dröhnen seines eigenen Blutes vernehmen.
Die Maschinen schliefen: Sie klickten noch nicht einmal im Leerlauf. Würden sie jemals wieder erwachen und, wenn ja, zu welchem Zweck? Alles war in hervorragendem Zustand, wie alles bisher. Man konnte sich leicht vorstellen, dass eine geschlossene Schaltung in einem geduldig wartenden versteckten Computer dieses ganze Labyrinth wieder zum Leben erwecken könnte.
Als sie schließlich das andere Ende der City erreicht hatten, kletterten sie zum Kamm der Kaimauer hinauf und blickten über den südlichen Teil der See hinaus. Lange starrte Norton die fünfhundert Meter hohe Klippe an, die ihnen den Zugang zu fast der Hälfte von Rama verwehrte - der Hälfte, die nach ihren Erkundungen per Teleskop die abwechslungsreichere und vielgestaltigere war. Aus diesem Blickwinkel wirkte die Klippe wie eine bedrohliche schwarze Wand, wie eine riesige Gefängnismauer, die einen ganzen Kontinent umschloss. Auf ihrer gesamten Länge zeigte sich nirgends eine Treppe oder eine andere Aufstiegsmöglichkeit.
Er fragte sich, wie wohl die Ramaner von New York aus ihren Südkontinent erreicht hatten. Vielleicht gab es unter der See ein Transportsystem, aber Flugzeuge mussten sie auch gehabt haben; hier in der Stadt gab es zahlreiche freie Flächen, die sich als Landeplätze eigneten. Es würde sie sehr viel weiterbringen, wenn sie ein Fahrzeug der Ramaner entdeckten - besonders wenn sie noch herausfanden, wie es benutzt wurde. (Aber würde irgendeine denkbare Energiequelle nach mehreren hunderttausend Jahren noch funktionieren?) Es gab hier zahlreiche Gebäude, die ihrem funktionellen Aussehen nach Hangars oder Garagen sein konnten, doch waren sie alle glatt und fensterlos, als wären sie versiegelt worden. Früher oder später, hatte Norton sich finster gesagt, werden wir doch Sprengstoff und Laserstrahlen einsetzen müssen.« Aber er war entschlossen, diese Entscheidung bis zum letzten Termin aufzuschieben.
Dass er die Anwendung roher Gewalt nach Möglichkeit zu vermeiden suchte, war zum Teil auf Stolz, zum Teil auf Furcht zurückzuführen. Er wollte sich nicht wie ein technischer Barbar aufführen, der zertrümmerte, was er nicht begriff. Immerhin war er ohne Einladung in diese Welt eingedrungen und musste sich wohl dementsprechend benehmen.
Und was die Furcht betraf - so war das vielleicht ein zu starkes Wort; Befürchtung war wohl treffender. Die Ramaner schienen alles vorausgeplant zu haben, und es drängte ihn nicht danach zu entdecken, welche Vorsichtsmaßregeln sie zum Schutz ihres Eigentums getroffen hatten. Wenn er zum Kontinent zurücksegelte, würde er dies mit leeren Händen tun.
24 Die Libelle
Leutnant James Pak war der rangniedrigste Offizier an Bord der
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