Rendezvous mit Rama
Segelkünste überfordern würden.
Von dem Augenblick an, als sie die See zum ersten Mal erblickt hatte, war sie entschlossen gewesen, diese Fahrt zu unternehmen. In all den Tausenden von Jahren, in denen der Mensch die Gewässer seiner eigenen Welt befuhr, hatte kein Seemann sich je einer auch nur halbwegs vergleichbaren Situation gegenübergestellt gesehen. Während der vergangenen Tage war ihr ein dummer kleiner Melodiefetzen durch den Kopf gegangen, den sie nicht loswerden konnte: »Wir fahren über die Zylindrische See ...« Nun, genau das würde sie tun.
Ihre Passagiere nahmen ihre Plätze auf improvisierten Klappsitzen ein, und Ruby gab Gas. Der Zwanzigkilowattmotor begann zu surren, die Kettentriebe der Untersetzung verschwammen vor den Augen, und unter den begeisterten Rufen der Zuschauer rauschte die Resolution davon.
Ruby hatte gehofft, es mit dieser Ladung auf fünfzehn Kilometer pro Stunde zu bringen, doch sie würde sich auch mit allem, was über zehn Kilometer pro Stunde lag, zufriedengeben. Längs der Uferkliffs hatte man einen Kurs von einem halben Kilometer bestimmt, und sie brauchte fünfeinhalb Minuten für den Rundtrip. Wenn man die Zeit für das Wenden mit berechnete, kam man auf zwölf Stundenkilometer, und damit war sie völlig zufrieden.
Ohne Motorantrieb, doch mit der Hilfe dreier energiegeladener Ruderer, die ihren geschickteren Schlag unterstützten, konnte Ruby ein Viertel dieser Geschwindigkeit erreichen. Wenn also der Motor ausfallen würde, konnten sie immer noch in ein paar Stunden zur Küste zurückkehren. Aber die Hochleistungsstromzellen konnten genug Energie liefern, um damit diese Welt zu umsegeln; außerdem hatte Ruby zwei Ersatzbatterien mitgenommen, nur um ganz sicherzugehen. Und nachdem sich nun auch die letzten Nebelspuren aufgelöst hatten, war sogar eine so vorsichtige Seglerin wie sie dazu bereit, ohne Kompass in See zu stechen.
Sie grüßte zackig, als sie an Land stieg.
»Jungfernfahrt der Resolution erfolgreich beendet, Sir. Warten jetzt auf Ihre Befehle.«
»Sehr gut... Admiral. Wann können Sie in See stechen?«
»Sobald wir Proviant geladen und der Hafenmeister uns Starterlaubnis gegeben hat.«
»Dann segeln Sie also bei Tagesanbruch.«
»Aye-aye, Sir.«
Auf einer Seekarte wirken fünf Kilometer Wasser nicht allzu eindrucksvoll, doch ist es etwas ganz anderes, sich mitten darin zu befinden. Sie waren erst zehn Minuten auf See, doch die fünfzig Meter hohe Klippenwand des Nordkontinents schien bereits erstaunlich weit entfernt. Seltsamerweise schien jedoch New York kaum näher gerückt... Doch schenkten sie dem Land nicht allzu viel Aufmerksamkeit; sie waren noch zu sehr von diesem Meer fasziniert. Die nervösen Witze, die den Beginn ihrer Fahrt begleitet hatten, waren längst vergessen: Dieses neue Erlebnis war einfach überwältigend.
Norton dachte darüber nach, dass Rama jedes Mal, wenn er bestimmt meinte, sich an diese Innenwelt gewöhnt zu haben, irgendein neues Wunder produzierte. Wie die Resolution so mit gleichmäßigem Brummen dahinglitt, wirkte es, als sei ihre Besatzung im Tal einer gigantischen Welle gefangen - einer Woge, die sich zu beiden Seiten empor krümmte, bis sie senkrecht stand, dann überragte, bis sich die beiden Flanken in einem flüssigen Bogen sechzehn Kilometer über ihren Häuptern zusammenschlössen. Aller Logik und Einsicht zum Trotz vermochte keiner der Seefahrer sich für lange von dem Eindruck freizumachen, dass diese Millionen Tonnen Wasser jede Minute donnernd vom Himmel herabstürzen könnten.
Dennoch fühlten sie im Großen und Ganzen eigentlich Heiterkeit: eine abenteuerliche Spannung, ohne dass wirklich Gefahr drohte. Es sei denn, dass die See selbst mit neuen Überraschungen aufwartete.
Mit dieser Möglichkeit war unbedingt zu rechnen, denn wie Mercer richtig vermutet hatte, lebte das Meer nun. Jeder Schwapp Wasser enthielt Tausende von kugelförmigen einzelligen Mikroorganismen, ähnlich den frühesten Planktonformen in den Ozeanen der Erde.
Und doch gab es da verwirrende Unterschiede: Sie hatten keinen Zellkern, und es fehlten ihnen viele der anderen Minimalvoraussetzungen, die selbst die aller primitivsten Lebensformen der Erde aufwiesen. Und obwohl Laura Ernst - die sich neben ihrer Aufgabe als Schiffsärztin nun auch noch als Forscherin betätigte - nachgewiesen hatte, dass diese Zellen tatsächlich Sauerstoff produzierten, gab es doch viel zu wenige davon, als dass durch sie der Zuwachs in der Atmosphäre
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