Rendezvous mit Rama
sein, wenn die Mission Rodrigos erfolgreich beendet - oder fehlgeschlagen war.
Norton blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten. Er hatte immer noch reichlich Zeit: ganze fünfzig Minuten. Inzwischen war er sich über die wirkungsvollste Antwort an den Merkur klar geworden: Er würde die Nachricht völlig ignorieren und abwarten, was die Hermianer als Nächstes unternehmen würden.
Als die Bombe sich zu bewegen begann, war Rodrigos erstes Gefühl nicht Furcht im körperlichen Sinn gewesen; es war etwas viel Verheerenderes. Er glaubte felsenfest daran, dass das Universum strengen Gesetzen unterliege, die nicht einmal GOTT selbst durchbrechen konnte - ganz zu schweigen von den Hermianern. Keine Nachricht konnte schneller als das Licht reisen; und er, Boris Rodrigo, hatte einen fünfminütigen Vorsprung gegenüber allem, was die Hermianer möglicherweise unternehmen konnten.
Das, was jetzt hier geschah, musste ein Zufall sein - ein gespenstischer, vielleicht sogar ein tödlicher Zufall, aber nicht mehr. Irgendwie musste zufällig ein Kontrollsignal an die Rakete abgegangen sein, während er die Endeavour verlassen hatte, und während er fünfzig Kilometer weit vorangekommen war, hatte die Nachricht achtzig Millionen Kilometer Raum überwunden.
Aber vielleicht handelte es sich ja auch nur um eine automatische Richtungsänderung, um einem Überhitzungsprozess irgendwo in der Trägerrakete entgegenzuwirken. Es gab nämlich Stellen, an denen die Oberflächentemperatur nahezu fünfzehnhundert Grad betrug, und Rodrigo hatte sich die größte Mühe gegeben, sich so weit als möglich im Schatten zu halten.
Eine zweite Turbine stieß einen Feuerstrahl aus und korrigierte die Drehung der ersten. Nein - dies waren nicht bloß thermale Berichtigungen. Die Bombe justierte sich und wies nun direkt auf Rama zu ...
Es war zwecklos zu fragen, warum. Besonders in diesem Augenblick war dies zwecklos. Aber es gab etwas, das zu seinen Gunsten sprach: Das Geschoss war ein Mechanismus mit langsamer Beschleunigung. Ein zehntel g war das Äußerste, was es erreichen konnte. Er konnte also weitermachen.
Er überprüfte die Halterungen seines Skooters an dem Halterungsgerüst der Bombe und überprüfte zum dritten Mal die Sicherheitsleine, die seinen Raumanzug mit dem Skooter verband. Langsam stieg in ihm kalter Zorn auf, und er bestärkte ihn eigentlich nur in seiner Entschlossenheit. Sollte dieses Manöver etwa bedeuten, dass die Hermianer die Bombe ohne vorherige Warnung zünden würden? Dass sie der Endeavour keine Chance geben würden zu entkommen? Dies schien einfach unglaublich. Es wäre nicht nur ein Akt erstaunlicher Brutalität, sondern eine Wahnsinnstat, die den Rest der Bevölkerung des Sonnensystems gegen die Hermianer einnehmen würde. Und wieso hatten sie es für nötig befunden, die feierlichen Garantien ihres eigenen Gesandten nicht einzuhalten?
Wie immer auch die Pläne der Hermianer aussehen mochten, sie würden nicht verwirklicht werden.
Die zweite Nachricht vom Merkur stimmte mit der ersten haargenau überein. Sie traf zehn Minuten nach dieser ein. Also hatten sie den Termin verlängert - und Norton hatte noch immer eine Stunde Zeit. Außerdem hatten sie offensichtlich abgewartet, bis eine Antwort von der Endeavour sie erreichen konnte, ehe sie ihre Warnung wiederholten.
Allerdings kam nun ein weiterer Faktor ins Spiel: Inzwischen mussten sie Leutnant Rodrigo gesehen haben und hatten ein paar Minuten Zeit gehabt, ihre Entscheidungen zu treffen. Inzwischen konnten die Befehle vom Merkur bereits auf dem Weg sein - sie konnten in jeder Sekunde eintreffen.
Norton hatte das Gefühl, er sollte sich besser bereitmachen, jeden Augenblick abzusetzen, denn der Rumpf Ramas, der den Himmel füllte, konnte sekundenschnell ringsum zu glühen beginnen: in einer vergänglichen Pracht, die die Sonne bei weitem überstrahlen würde.
Als der Hauptschub ansetzte, war Rodrigo bereits sicher verankert. Kaum zwanzig Sekunden später erstarb der Jetstrahl wieder. Rodrigo rechnete im Geiste rasch durch: Delta-V konnte nicht höher als fünfzehn Stundenkilometer gewesen sein. Die Bombe würde über eine Stunde brauchen, um Rama zu erreichen. Vielleicht wurde sie ja auch nur genauer ausgerichtet, um ein rascheres Ergebnis zu garantieren. Wenn dies zutraf, dann war das eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Allerdings hatten sich die Hermianer dafür zu viel Zeit gelassen.
Rodrigo warf wieder einen Blick auf seine Uhr, obwohl er mittlerweile ein
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