Rendezvous mit Rama
Bombe rechtwinkelig zur Achse der Trägerrakete, wodurch das angemessen bedrohliche Bild eines Hammers entstand. Und tatsächlich war es ja auch ein Hammer. Einer der schwer genug war, eine ganze Welt zu zertrümmern.
Von beiden Enden der Bombe gingen Kabelstränge aus, liefen über den zylindrischen Teil und verschwanden durch das Rahmenwerk im Innern des Fahrzeugs. Hier waren die gesamte Kommunikation und Kontrolle konzentriert. Die Bombe selbst besaß keinerlei antennenartiges Gebilde. Rodrigo brauchte nur diese zwei Kabelstränge zu unterbrechen, und nichts als harmloses unentzündbares Metall würde übrig bleiben.
Obwohl er genau damit gerechnet hatte, erschien es ihm nun doch ein wenig zu leicht. Er warf einen Blick auf seine Uhr: Noch dreißig Sekunden, ehe die Hermianer Kenntnis von seiner Existenz erhalten konnten, selbst wenn sie gesehen hatten, wie er um die Nordbegrenzung Ramas herumgebogen war. Es standen ihm also mit absoluter Gewissheit fünf Minuten Zeit zur Verfügung, in denen er ohne Störung arbeiten konnte, und eine neunundneunzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass er länger Zeit hatte.
Sobald der Skooter völlig zum Stillstand gekommen war, verankerte Rodrigo ihn an dem Gerippe des Geschosses, sodass beide wie eine einheitliche starre Konstruktion wirkten. Dies kostete ihn nur ein paar Sekunden. Sein Werkzeug hatte er sich bereits vorher ausgesucht, und er kletterte sofort aus dem Pilotensitz. Der steife, stark isolierte Raumanzug hinderte ihn nur leicht in seinen Bewegungen.
Als Erstes untersuchte er eine kleine Metallplakette, die die Inschrift trug:
DEPARTEMENT ENERGIETECHNIK
ABTLG. D.
47, SUNSET BOULEVARD
VULCANOPOLIS, 17464
AUSKÜNFTE ÜBER: MR. HENRY K. JONES
Rodrigo erlaubte sich den Verdacht, dass in ein paar Minuten Mr. Henry Jones außerordentlich viel zu tun haben würde.
Die kräftige Drahtschere wurde rasch mit den Kabelsträngen fertig. Als die ersten Kabel getrennt waren, hatte Rodrigo höchstens beiläufig an das höllische Feuer gedacht, das da nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt gefesselt lag. Wenn sein Eingreifen dieses Höllenfeuer zum Aufflammen brächte - er würde es jedenfalls nie merken.
Er blickte wieder auf seine Uhr. Er hatte weniger als eine Minute gebraucht, und das bedeutete, dass er genau nach Zeitplan arbeitete. Nun kam das zweite, das Sicherheitskabel, an die Reihe - und wenn das erledigt war, konnte er sich auf den Heimweg machen, direkt unter den Augen der empörten und frustrierten Hermianer.
Er hatte gerade begonnen, den zweiten Kabelstrang anzugehen, als er in dem Metall, das er berührte, ein schwaches Zittern verspürte. Erschreckt blickte er zurück auf die Trägerrakete.
Der charakteristische blauviolette Schein einer aktivierten Rückstoßdüse waberte um einen der Kontrolljets. Die Bombe machte sich zu einer Richtungsänderung bereit.
Die Nachricht vom Merkur war kurz und vernichtend. Sie traf zwei Minuten später ein, nachdem Rodrigo um die Krümmung Ramas verschwunden war.
AN COMMANDER DER ENDEAVOUR VON MERKUR SPACE CONTROL, INFERNO WEST. SIE HABEN EINE STUNDE ZEIT NACH ERHALTEN DIESER NACHRICHT, SICH VON RAMA ZU ENTFERNEN. SCHLAGEN VOR, MAXIMALBESCHLEUNIGUNG LÄNGS DER ROTATIONSACHSE. BESTÄTIGUNG DES EMPFANGS ERBETEN. ENDE.
Norton las die Durchschrift mit völlig ungläubigem Erstaunen, dann packte ihn der Zorn. Er musste sich gegen den kindischen Impuls wehren, den Hermianern einfach zurück zu funken, dass seine gesamte Mannschaft sich innerhalb von Rama aufhalte und dass es Stunden dauern werde, sie alle zu evakuieren. Doch damit würde nichts gewonnen sein - außer dass man vielleicht den guten Willen und die Nerven der Hermianer auf die Probe stellte. Und warum hatten sie sich so wenige Tage vor dem Perihelium zu handeln entschlossen? Norton fragte sich, ob der ständig zunehmende Druck der öffentlichen Meinung mittlerweile so stark geworden sein konnte, dass die Verantwortlichen auf dem Merkur sich entschließen mussten, den (weitaus größeren) Rest der menschlichen Rasse mit einem Fait accompli zu konfrontieren. Diese Erklärung schien nicht so recht plausibel, denn eine derartige sensible Bereitschaft des Eingehens auf Massenbedürfnisse war durchaus untypisch für die Merkur-Bürokratie.
Norton hatte nicht die kleinste Möglichkeit, Rodrigo zurückzurufen, denn er und sein Skooter lagen jetzt im Funkschatten Ramas und damit außer Kontakt, bis sie wieder auf Sichtlinie waren. Und das würde erst der Fall
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