Rendezvous mit Übermorgen
knapp noch im Sichtbereich, konnten die Kosmonauten gerade noch die »Rama-Stadt London« sehen. »Na, und wie fühlt man sich so als Mitglied im zweiten Team?«, fragte Wilson an keinen im Besonderen gewandt.
Nach einer verlegenen Pause, drehte Dr. Takagishi sich zu Wilson. »Verzeihung, Mr. Wilson«, fragte er höflich, »sprachen Sie soeben zu mir?«
»Na, aber klar doch«, antwortete Wilson und nickte heftig mit dem Kopf. »Hat Ihnen denn noch keiner gesteckt, dass Sie bei diesem Flug als Wissenschaftler nur die Nummer Zwei sind? - Nee, wahrscheinlich nicht«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. »Aber das ist ja auch weiter nicht erstaunlich. Drunten auf der Erde hab ich mir auch nie träumen lassen, dass ich bloß der Berichterstatter Nummer Zwei bin.«
»Reggie, ich glaube nicht, dass ...«, begann Nicole, aber sie wurde unterbrochen. »Und was Sie betrifft, Doktor ...« - Wilson beugte sich nach vorn - »sind Sie möglicherweise das einzige Mitglied des dritten Teams. Ich hab zufällig gehört, wie unsere grandiosen Führer - Heilmann und Brown - über Sie reden. Die würden Sie am liebsten auf Dauer an Bord der Newton festketten. Aber da wir vielleicht auf Ihre Künste angewiesen sein könnten ...«
»Das langt!«, unterbrach Wakefield. Seine Stimme hatte eine bedrohliche Schärfe. »Sie können jetzt mal ein bisschen aufhören, ein Ekel zu sein.« Es vergingen mehrere Sekunden voller Gespanntheit, ehe Wakefield weitersprach. »Übrigens, Wilson«, sagte er in weit freundlicherem Ton, »wenn ich mich richtig erinnere, sind Sie ein echter Renn-Fan. Möchten Sie vielleicht gern mal die Kutsche fahren?«
Es war die perfekte Idee. Minuten später hockte Reggie Wilson neben Wakefield im Fahrersitz und fuhr den Rover unter wildem Lachen mit Höchsttempo im Kreis herum. Des Jardins und Takagishi auf dem Rücksitz wurden heftig durchgeschüttelt.
Nicole achtete genau auf Wilson. Er ist schon wieder abnorm,, dachte sie. Das ist jetzt mindestens das dritte Mal während der letzten zwei Tage. Sie versuchte sie zu erinnern, wann sie den letzten Full-Scan bei Wilson gemacht hatte. Nicht seit dem Tag nach Borzows Tod. Die Raumkadetten habe ich inzwischen schon zweimal gecheckt ... verdammt! Ich war dermaßen mit der Borzow-Sache beschäftigt, dass ich unachtsam geworden bin . Sie nahm sich vor, nach der Ankunft im Beta-Lager alle so schnell wie möglich einem Scan zu unterziehen.
»Übrigens, mein lieber Professor«, sagte Wakefield, nachdem Wilson sich wieder gefangen zu haben schien und auf das Lager zufuhr, »ich hätte da eine Frage an Sie.« Er drehte sich um und blickte Takagishi ins Gesicht. »Sind Sie schon zu einem Schluss gelangt, was unser »seltsames Geräusch< neulich gewesen sein könnte? Oder ist es Dr. Brown gelungen, Ihnen einzureden, dass es sich dabei nur um ein kollektives Phantasieprodukt von uns handelte?«
Dr. Takagishi schüttelte den Kopf. »Ich sagte Ihnen doch schon damals, es war ein ganz neues Geräusch.« Er blickte starr in die Ferne über die Zentralebene mit ihren unerklärten Mechanofeldern hinweg. »Dies hier ist ein anderes Rama. Ich weiß es. Die Schachbrettmuster der Felder im Süden sind ganz anders und reichen auch nichtmehr bis an den Rand des Zylindermeeres. Diesmal gingen die Lichter vor der Schmelze an. Und sie erlöschen abrupt, ohne schwächer geworden zu sein im Verlauf einiger Stunden langsam ausgehend, wie das die ersten Rama-Forscher berichteten. Und die krebsartigen Bioten treten nicht vereinzelt auf, sondern in Herden.« Er schwieg und blickte weiter über das Gelände hinaus. »Dr. Brown sagt, alle diese Verschiedenheiten sind ohne Bedeutung, aber ich glaube, sie haben etwas zu bedeuten. Es ist vielleicht doch möglich«, fügte Takagishi leise hinzu, »dass Dr. Brown sich irrt.«
»Und es ist ebenso möglich«, fügte Wilson grimmig hinzu, »dass er eine absolute Mistsau ist!« Erjagte den Rover auf Höchsttempo hoch. »He, Beta-Camp! Wir kommen!«
28 Extrapolation
Nicole beendete ihren Lunch, der aus Pressente, Trockenbroccoli und Kartoffelbrei bestand. Die anderen aßen noch weiter, und so war es momentan still um den langen Tisch. In der Ecke neben dem Eingang verfolgte ein Monitor die Bewegungen der Bioten. Das Verhaltensmuster hatte sich nicht geändert. Der Blip, der diese Krebse darstellte, bewegte sich etwas länger als zehn Minuten in eine Richtung und kehrte dann um.
»Was passiert, wenn sie diese Parzelle beendet haben?«, fragte Wakefield.
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