Rendezvous mit Übermorgen
haben.«
Dr. Brown lächelte. »Mist«, sagte er. »Ich habe doch völlig vergessen, es Ihnen zu sagen. Ich hab mal nachts mit Francesca Sabadni über meine Schlaflosigkeit geredet, und sie hat mir eine von ihren Tabletten gegeben. Ich habe sie einfach gedankenlos geschluckt.«
»Welche Nacht war das?«, fragte Nicole. Sie änderte den Display-Abruf auf dem Monitor erneut und rief mehr Daten aus den Zwischenspeichern ab.
»Das - kann ich nicht mit Sicherheit sagen«, antwortete Dr. Brown nach einigem Zögern. »Ich glaube, es war ...«
»Aha, dahaben wir es ja schon«, unterbrach Nicole. »Ich kann es hier in Ihrer Chemoanalyse erkennen. Es war am 3. März, in der zweiten Nacht nach Borzows Tod. An dem Tag, an dem Sie und Heilmann zu Gemeinsamen Kommandanten ausgewählt wurden. Nach dem Zacken in dieser spektrographischen Messung würde ich schließen, dass Sie eine Medvil-Tablette geschluckt haben.«
»Und das können Sie aus meinen Bioemtriedaten ablesen?«
»Nicht exakt.« Nicole lächelte. »Die Interpretation ist nicht besonders einzigartig. Was haben Sie noch gleich beim Lunch gesagt? Manchmal muss man extrapolieren - oder so ähnlich und eventuell spekulieren.«
Wieder begegneten sich ihre Blicke flüchtig. Das kann doch nicht etwa Furcht sein ?, fragte sich Nicole und versuchte zu interpretieren, was sie in diesen Augen sah. Dann wandte David Brown die Augen ab. »Ich danke Ihnen, Dr. des Jardins«, sagte er steif-förmlich, »für den Bericht über meinen Blutdruck. Ich werde mich entspannen und viel Schlaf zu finden versuchen. Und ich bitte Sie um Entschuldigung dafür, dass ich Sie nicht von dem Schlafmittel unterrichtet habe.« Er entließ sie mit einer Handbewegung.
Nicole hätte gern gegen diese Art Abfuhr protestiert, entschied sich dann aber anders. Er würde sich ja trotzdem nicht an meine Anweisungen halten , sagte sie sich, während sie auf Reggie Wilsons Behausung zuging. Und sein Blutdruck war ja nun wirklich nicht gefährlich überhöht. Sie überdachte noch einmal, wie spannungsgeladen die letzten zwei Minuten des Gesprächs mit Dr. Brown gewesen waren, nachdem sie zu seiner Verblüffung die Schlaftablette so exakt identifizieren konnte. Irgendwas stimmt an der Sache nicht so recht. Was übersehe ich dabei ?
Sie hörte das Schnarchen von Reggie Wilson, lange bevor sie an seiner Tür ankam. Nach kurzem Zögern beschloss Nicole, sie werde Reggie erst nach seiner Schlafpause scannen. Danach kehrte sie in ihr Quartier zurück und schlief rasch ein.
»Nicole! Nicole des Jardins!« Die Stimme drang in ihren Traum vor und weckte sie. »Ich bin's. Francesca. Ich muss Ihnen unbedingt etwas sagen.«
Sie setzte sich mühsam auf der Pritsche auf. Francesca stand in der Tür. Auf dem Gesicht ihr süßestes italienisches Lächeln, die Nummer, dachte Nicole, die sie sonst ausschließlich für die Kamera aufhebt.
»Ich hab grad vorhin mit David gesprochen«, sagte Francesca und trat auf die Liege zu, »und er hat mir von eurer Unterhaltung nach dem Lunch erzählt.« Während Nicole gähnend die Beine auf den Boden setzte, redete Francesca pausenlos weiter. »Es hat mir natürlich einen schweren Schlag versetzt, als ich das mit seinem Blutdruck erfuhr - nein, nein, keine Sorge, er und ich sind übereingekommen, dass ich die Info nicht verwenden werde ... Aber was mich wirklich bedrückt, er machte mir Vorhaltungen, dass wir Sie nicht über diese blöde Schlaftablette unterrichtet haben. Es ist mir sehr peinlich. Natürlich hätten wir es Ihnen sofort sagen müssen.«
Für Nicoles Zustand redete Francesca zu hastig. Augenblicke zuvor noch hatte sie in tiefem Schlaf gelegen und von Beauvois geträumt, und jetzt, urplötzlich, sollte sie sich die Schnellfeuer-beichte dieser Italienerin anhören.
»Könnten Sie vielleicht einen Augenblick warten, bis ich wach bin?«, fragte sie mürrisch. Sie griff um Francesca herum und hangelte sich von einem Behelfstischchen einen Becher Wasser. Sie trank es langsam.
»Also, ist es richtig, wenn ich annehme«, sagte sie, »dass Sie mich aufwecken, um mir zu erklären, dass Sie Dr. Brown ein Schlafmittel verabreicht haben? Etwas, das ich bereits weiß?«
»Ja.« Francesca war ganz Lächeln. »Also, ich meine, das ist es zum Teil, nicht wahr? Aber dann fiel mir ein, dass ich auch vergessen habe, Ihnen das mit Reggie zu sagen.«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich vermag Ihnen nicht zu folgen, Francesca. Sprechen Sie inzwischen von Reggie Wilson?« Nach einem kurzen
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