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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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dort unten?«, fügte sie japanisch hinzu.
    »Kommen Sie doch endlich!«, rief Francesca vom Ausgang der Scheune her. »Wir müssen los! Richards Nachricht klang wirklich dringend!«
    Bei dem vierten Loch war es für Nicole sehr schwer, wegen der Schatten den Boden zu erkennen, selbst mit Hilfe ihrer Lampe. Sie sah undeutlich einige Gegenstände, aber was war das? Sie legte sich bäuchlings nieder und neigte sich in anderer Richtung über den Rand der Grube, um sich zu vergewissern, dass diese formlose Masse dort unten nicht der Körper ihres Freundes sei.
    Dann begannen die Lichter in Rama flackernd aus- und wieder anzugehen. Die optische Wirkung in der Scheune war alarmierend. Und verwirrend. Nicole blickte nach oben, um zu sehen, was da los sei, und verlor die Balance und rutschte halb über den Rand in die Grube. »Francesca!«, schrie sie und stemmte sich mit den Händen gegen die gegenüberliegende Grubenwand. »Francesca! Ich brauche Hilfe!«, schrie sie noch einmal.
    Sie wartete beinahe eine Minute, ehe sie begriff, dass Kosmonautin Sabatini sich nicht mehr in der Nähe der Scheune befand. Ihre Arme wurden sehr schnell müde. Sie lag nur mit den Füßen und teilweise den Unterschenkeln noch sicher auf dem Boden. Ihr Kopf befand sich etwa achtzig Zentimeter unter Bodenniveau vor der Grubenwandung. Der restliche Körper hing in der Luft und wurde nur durch das heftige Stemmen ihrer Arme vor dem Absturz bewahrt.
    Die Lichter gingen weiter in kurzen Intervallen aus und wieder an. Nicole hob den Kopf, um zu sehen, ob sie möglicherweise mit einer Hand die Grubenkante erreichen könne, während sie sich mit der anderen absicherte. Es war aussichtslos. Sie steckte mit dem Kopf viel zu tief im Loch.
    Wieder wartete sie ein paar Sekunden; ihre Verzweiflung wuchs, je müder ihre Arme wurden. Schließlich versuchte sie sich in einer konzertierten Körperaktion gleichzeitig mit dem Oberkörper aufzubäumen und mit den Händen den Grubenrand zu packen. Beinahe wäre es ihr geglückt. Aber sie konnte mit den Armen das Fallmoment nicht abfangen. Ihre Füße rutschten weg, sie stürzte in das Loch und prallte mit dem Kopf gegen eine Wand. Ihr bewusstloser Körper fiel auf den Boden der Grube.

36 Kollisionskurs
    Auch Francesca war erschrocken, als die Lichter in Rama auf einmal zu flackern begannen. Sie war ihrem ersten Impuls gefolgt und hatte unter dem Dach der Scheune Schutz gesucht. Dort fühlte sie sich etwas besser geschützt. Was ist denn jetzt los?, dachte sie, als die Lichtreflexe der umliegenden Bauten sie zwangen, die Augen zu schließen, damit ihr nicht schwindlig wurde.
    Als sie Nicoles Hilferuf hörte, schoss sie los, um ihr zu helfen. Dabei stolperte sie über eine der Kugeln und verletzte sich beim Sturz das Knie. Als sie sich wieder aufrappelte, sah sie in dem stroboskopischen Licht, dass Nicole sich in einer sehr prekären Lage befand. Sie sah nur ihre Schuhsohlen. Francesca blieb stocksteif stehen und wartete. Ihr Gehirn war bereits weit voraus. In ihrem Gedächtnisspeicher hatte sie die nahezu perfekten Bildeindrücke der Gruben deponiert, einschließlich einer ziemlich exakten Bewertung ihrer Tiefe. Wenn sie abstürzt, dachte Francesca, ist sie bestimmt verletzt, vielleicht sogar tot. Sie dachte an die glatten Wände. Herausklettern kann sie bestimmt nicht.
    Die blinkenden Lichter verliehen der Szenerie etwas Gespenstisches. Francesca sah Nicoles Aufbäumen, sah ihre Schuhe verschwinden. Sie hörte keinen Schrei.
    Hätte sie sich nicht dermaßen gut unter Kontrolle gehabt, sie wäre an den Grubenrand geeilt, um hinunterzuschauen. Sie selbst stand immer noch in der Gruppe der kleinen Kugeln. Nicht doch! sagte sie sich. Ich darf nicht nachsehen. Falls sie vielleicht noch bei Bewusstsein ist, könnte sie mich ja sehen. Und dann hab ich keine Wahl.
    Sofort überdachte sie, welche Möglichkeiten sich durch Nicoles Sturz ergaben. Auf Grund ihres vorherigen Wortwechsels war sie sicher, dass Nicole bis zum Äußersten gehen würde, um den Beweis zu liefern, dass Borzow an seinem letzten Lebenstag ein schmerzauslösendes toxisches Präparat zu sich genommen haben müsse. Es war sogar möglich, dass es Nicole gelang, die spezielle Zusammensetzung genau festzustellen und die Droge - eben weil es sich um keine alltägliche handelte - und ihren Kauf bis zu Francesca zurückzuverfolgen. Das war zwar unwahrscheinlich, ja sogar ziemlich absurd. Doch - es konnte so kommen.
    Francesca erinnerte sich, wie sie mit ihren

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