Rendezvous mit Übermorgen
klang wie ein Karren mit hölzernen Rädern auf einem Erdweg. Als das Gefährt näher kam, wichen die Vögel um Nicole zurück und drückten sich eng um sie. Und Augenblicke später brannte vor ihnen ein Feuer.
Auf einem brennenden Wagen ruhte eine Bahre. Nicole atmete keuchend ein. Der Leib ihrer Mutter, bekleidet mit den grünen königlichen Gewändern, lag darauf. Im Schein der Flamme erkannte Nicole einige der anderen im Raum. Richard lächelte ihr zu. An der Hand hielt er ein dunkles kleines Kind, ein etwa zweijähriges Mädchen. General O'Toole kniete ziemlich nahe beim Feuer und betete. Hinter ihm befanden sich alle möglichen Bioten und zwei, drei Gestalten, die wohl Oktarachniden waren.
Die Flammen verzehrten die Bahre und umzüngelten den Leib ihrer Mutter. Langsam erhob sich ihre Mutter aus ihrer liegenden Position. Als Anawi sich Nicole zuwandte, veränderte sich ihr Gesicht. Es war nun der Kopf Omehs auf dem Leib ihrer Mutter.
»Ronata«, sagte er mit klarer Stimme, »die Weissagungen müssen erfüllt werden. Das Geschlecht der Senoufo soll sich ausbreiten, bis zu den Sternen hinauf. Minowe wird zurückbleiben. Ronata muss mit denen gehen, die aus weiter Ferne gekommen sind. Geh also nun - und rette die Fremdlinge und Ronatas Kinder.«
60 Rückkehr nach Rama
Ich glaube es kaum selbst, dass ich es tue, sagte Nicole zu sich, als sie die letzte Ladung von Vorräten vom Fährschlitten zum Lastenaufzug an der Beta-Treppe trug. In Rama herrschte Nacht, und der Strahl ihrer Lampe irrte zuckend in schwarze Leere.
Der Traum war so außerordentlich lebhaft gewesen, dass sie nach dem Erwachen ganze fünf Minuten lang völlig desorientiert war. Selbst jetzt noch, beinahe zwei Stunden danach, sah sie Omehs Gesicht völlig deutlich vor sich, wenn sie die Augen schloss, und konnte die beschwörende Stimme die befehlenden Worte singen hören. Sie dachte: Ich hoffe nur, Richard wacht nicht auf, ehe ich fort bin. Er könnte das unmöglich verstehen.
Sie kehrte zur Fähre zurück und unternahm eine letzte Durchquerung der Ramahülle in die Newton. Eine halbe Stunde lang hatte sie an der Formulierung ihrer Abschiedsworte herumgebastelt; jetzt war der Augenblick gekommen, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Lieber Michael, geliebter Richard«, wollte sie beginnen. »Heute Nacht hatte ich die stärkste, bezwingendste Traumvision meines Lebens. Der alte Stammeshäuptling der Senoufo, Omeh, erschien mir und erklärte mir, dass meine Schicksalsbestimmung mit Rama verbunden ist.«
Sie durchquerte die Luftschleuse und begab sich in den Kontrollraum. Dort setzte sie sich vor die Kamera und räusperte sich erst einmal. Das ist grotesk, dachte sie, kurz bevor sie die Lampen einschaltete. Ich muss verrückt sein. Doch Omehs Bild in ihr war so mächtig in ihrem Gehirn und dämpfte alle letzten Bedenken. Wenig später fuhr sie in der Abschiedsrede an ihre Freunde fort.
»Ich kann in diesem kurzen Abschiedsgruß euch unmöglich verdeutlichen, welche wichtige Rolle Häuptling Omeh und meine afrikanische Abstammung in meinem Leben spielen. Ihnen, Michael, kann Richard einige der Senoufo-Geschichten erzählen, während ihr zurück zur Erde fliegt. Es mag genügen, wenn ich sage, dass der alte Schamane mich niemals fehlgeleitet hat. Ich weiß sehr wohl, dass Stimmen in Träumen substanzlos sind, höchstwahrscheinlich Produkte meines eigenen Unbewussten, aber ich habe mich trotzdem entschlossen, den Weisungen zu folgen, die Omeh mir gab.
Ich habe vor, alles mir Mögliche zu tun, um Rama die Information zu übermitteln, dass wahrscheinlich tödliche Atomraketen unterwegs sind. Ich weiß nicht genau, wie ich das durchführen werde, aber ich habe ja einige Stunden Zeit zum Nachdenken, während ich das Segelboot zusammensetze und übers Meer fahre. Richard, ich erinnere mich, was du mir über die Befehlstasten auf dem Keyboard gesagt hast, die zu einer übergeordneten Rangstufe führen könnten.
Es fällt mir äußerst schwer, so adieu zu sagen, und ich bin mir schmerzlich bewusst, was für ein kläglicher Ersatz das ist für eine letzte Umarmung. Aber wenn ihr zwei wach wäret, ihr würdet mich niemals nach Rama zurückgehen lassen ... Ich liebe dich, Richard, und du sollst keinen Moment daran zweifeln. Es ist wenig wahrscheinlich, ich weiß, aber vielleicht sind wir eines Tages an einem anderen Ort wieder vereint. Ich verspreche dir, wenn ich überlebe und unser Kind gebären kann, werde ich ihm immer wieder erzählen, wie
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