Rendezvous mit Übermorgen
die Ausrüstung nochmal um«, sagte Nicole mit einem Seufzer. Sie drehte sich mit dem Sitz herum und starrte die Borde an. »Ich könnte ein bisschen mehr Platz für uns rausschlagen und vierzehn Kilo einsparen, wenn wir garantiert in sieben Tagen gerettet werden könnten.«
Richard gab keine Antwort. »Verdammt!«, knurrte er, als eine Zahlenreihe auf dem Display erschien. »Was ist denn?«, fragte Nicole.
»Da stimmt etwas nicht. Der Navigationscode wurde für eine beträchtlich geringere Nutzlast entwickelt - falls wir einen der Akzelerometer verlieren, konvergiert er vielleicht nicht.« Nicole wartete geduldig, dass Richard es ihr erkläre. »Also, wenn wir unterwegs vielleicht 'nen Schluckauf kriegen - irgendwie kleineren Arger -, müssen wir möglicherweise mehrere Stunden stoppen und neu initialisieren.«
»Aber ich dachte, du hast gesagt, wir hätten genug Treibstoff für uns zwei.« »Treibstoff, klar, genug. Trotzdem, da sind ein paar knifflige Feinheiten in den umprogrammierten Navigationsalgorithmen, die von der Voraussetzung ausgehen, dass die Kapsel weniger als hundert Kilogramm Inhalt hat, also im Grunde nur O'Toole und seinen Proviant.«
Sie sah, wie er sorgenvoll die Stirn runzelte. »Aber ich denke, wir schaffen es, falls keine Pannen auftreten«, sprach er weiter. »Nur, bisher hat noch keiner eine Raumkapsel unter derartigen Bedingungen steuern müssen.«
Durch den Bugschirm sahen sie OToole durch den Frachtraum auf sie zukommen. Er hielt einen kleinen Gegenstand in der Hand. Es war TB, einer von Richards Miniaturrobotern.
»Ich hatte schon fast vergessen, dass ich ihn hatte«, sagte OToole, nachdem Richard sich überschwänglich bei ihm bedankt hatte. Und Kosmonaut Wakefield schoss mit einem breiten kindlich-entzückten Grinsen im Gesicht im Frachtraum herum.
»Ich hab schon geglaubt, ich sehe überhaupt keinen von ihnen wieder«, brüllte Richard von einer Seitenwandung, an die sein Begeisterungstanz ihn katapultiert hatte.
»Ganz kurz vor dem Abflug der Wissenschaftler bin ich an Ihrem Quartier vorbeigekommen«, schrie General OToole zurück. »Kosmonaut Tabori war dort und packte Ihre Sachen. Erbat, ob ich das Roboterchen da aufheben würde - für den Fall...«
»Dank dir, Janos! Danke!«, flüsterte Richard. Dann stieg er behutsam die Wand herab und fixierte sich auf dem Fußboden. »Das ist nämlich ein ganz besonderer Kerl, Michael«, sagte er mit einem Funkeln im Blick. Er schaltete TB an. »Kennen Sie The Bard? Vielleicht eines seiner Sonette?«
»Es gibt eins von Shakespeare, das liebt Kathleen ganz besonders. Falls ich mich recht erinnere, fangt es irgendwie so an:
That time of year...«
»That time of year thou mayst in me behold
(In mir magst du die Zeit des Jahres sehn, )
When yellow leaves, or none, or few, do hang
( Da wenig Blätter, ohne keine, hangen)
Upon those boughs which shake against the cold,
( An Bäumen, die vor Frost erschaudernd stehn, )
Bare ruined choirs where late the sweet birds sang.
( Zerfallne Münster, drin einst Stimmen sangen.)
In me thou seest tht twilight of such day
( In mir siehst Dämmrung du von bleichen Tagen,)
As after sunset fadeth in the west... «
(Da trüb im West verschimmert letztes Rot...)
Die Frauenstimme aus dem Mund der kleinen Shakespeare-puppe bestürzte sowohl Nicole wie den General. Aber die Worte trafen etwas in ihm und brachten eine verwandte Saite zum Schwingen; OToole war tief gerührt, und in seinen Augenwinkeln schimmerte es feucht. Nicole griff nach Michael OTooles Hand und drückte sie voller Mitgefühl, während TB das Sonett zu Ende sprach.
»Du hast Michael gegenüber nichts von den Problemen erwähnt, die du im Navigationssystem der Kapsel gefunden hast«, sagte Nicole. Sie lagen nebeneinander auf einer der schmalen Pritschen in einer der engen Kabinen.
»Nein«, sagte Richard ruhig. »Ich will nicht, dass er sich aufregt. Er glaubt, wir wären damit in Sicherheit, und ich will ihm diesen Glauben nicht nehmen.«
Nicole streckte die Hand aus und berührte Richard sanft. »Wir konnten doch hierbleiben, Liebster ... Dann würde wenigstens Michael bestimmt überleben.«
Er drehte sich zu ihr um. Sie wusste, dass er sie anschaute, obwohl sie ihn in der Dunkelheit kaum sehen konnte. »Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Richard. »Aber das würde er niemals annehmen ... Ich hab auch schon dran gedacht, dich allein runterzuschicken. Möchtest du?«
»Nein«, sagte Nicole nach kurzem Überlegen.
Weitere Kostenlose Bücher