Rendezvous mit Übermorgen
sich nicht zu widersetzen. »Also schön«, sagte er. »Ich denke, ich kann die Geschichte ja wohl auch ganz durchstehen.«
»Allmächtiger GOTT, wir bitten DICH, erhöre unser Gebet«, begann der General mit kräftiger Stimme. Auch er kniete nun. Er hatte die Augen geschlossen, die Hände vor der Brust gefaltet. »Wir drei Menschen haben uns hier in unserer wahrscheinlich letzten Stunde versammelt, um DICH zu ehren und zu lobpreisen. Wir flehen DICH an, bedenke, wie wir DIR dienlich sein könnten, wenn wir weiter am Leben bleiben, und-wenn es DEIN Wille ist - bitten wir DICH, uns vor einem qualvollen, entsetzlichen Tod zu bewahren. Wenn wir aber hier sterben sollen, so bitten wir, dass wir Eingang finden in DEIN himmlisches Königreich. Amen.«
Michael O'Toole machte nur eine kurze Pause, dann begann er das Vaterunser zu sprechen. Aber nach den Worten »UNSER Vater, der DU bist im Himmel, Geheiligt sei DEIN Name ...« erloschen mit einem Schlag alle Lichter in dem gigantischen Raumschiff. Der Rama-Tag war zu Ende. Richard und Nikki warteten taktvoll, bis ihr Freund das Gebet beendet hatte, ehe sie ihre Taschenlampen hervorholten.
Nicole dankte dem General und umarmte ihn flüchtig. Richard sagte nervös: »Also, da haben wir es. Siebenundzwanzig Minuten, und die Uhr läuft. Wir sind getauft, und ein Gebet hat es auch noch gegeben. Also, was machen wir jetzt? Hat einer einen Vorschlag für unseren letzten - ich meine unseren allerletzten Spaß? Sollen wir tanzen? Singen? Irgendwas spielen?«
»Ich würde lieber allein hier oben bleiben«, sagte O'Toole ernst, »und den Tod in Reue und Gebet erwarten. Und ich nehme an, ihr wollt auch lieber allein zusammen sein.«
»Also, Nikki«, fragte Richard, »wo wollen wir unsere letzten Küsse tauschen? Am Ufer der Zylindrischen See oder drunten in der Weißen Kammer?«
Nicole hatte seit zweiunddreißig Stunden nicht geschlafen und war völlig erschöpft. Sie fiel in Richards Arme und schloss die Augen. In der gleichen Sekunde durchstießen verstreute Lichtblitze die Rama-Nacht.
»Was ist denn das?«, fragte O'Toole. »Das müssen die Hörner sein«, erwiderte Richard aufgeregt. »Los, gehen wir!«
Sie liefen zur Südspitze der Insel und starrten von dort zu den massigen rätselhaften Gebilden in der Südschüssel. Zwischen verschiedenen Paaren der sechs Minarette, die den gewaltigen zentralen Monolithen umringten, zuckten Lichtbänder auf und ab. Die gelben Bögen schienen in der Luft zu knistern, in ihrer Mitte sacht auf- und abzuschwingen, ohne sich jedoch von den kleinen Hörnern an ihrem Ende zu lösen. Ein fernes Knattern begleitete das unglaubliche Schauspiel.
»Erstaunlich«, sagte O'Toole ehrfürchtig. »Absolut bestürzend.«
»Also beginnt Rama zu manövrieren«, rief Richard erregt. Er war kaum zu halten. Er umarmte Nicole und dann O'Toole und dann küsste er Nicole auf den Mund. »Juhu!«, jubelte er und tanzte die Bastion entlang.
»Aber Richard!«, rief Nicole ihm nach. »Ist es nicht schon zu spät? Wie sollte Rama in derart kurzer Zeit ausweichen können?«
Richard kam wieder zu ihnen gelaufen. »Du hast recht«, keuchte er atemlos. »Und diese verfluchten Raketen haben mit Sicherheit Zielsuchsysteme.« Wieder begann er zu laufen, diesmal zurück zur Plaza. »Ich will mir das Radar ansehen.«
Nicole warf O'Toole einen Blick zu. »Ich komme mit«, rief sie. »Aber ich bin für heute schon genug herumgerannt. Ich will mir das Schauspiel noch ein paar Sekunden länger anschauen. Aber geh du schon voraus, wenn du willst.«
Als sie dann eilig mit O'Toole zur Plaza zurückging, dankte er ihr, dass sie sich von ihm hatte taufen lassen. »Seien Sie doch nicht albern«, entgegnete sie. »Ich sollte Ihnen danken.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Die Taufe selbst war gar nicht so wichtig ; dachte sie. Es war ja nicht zu übersehen, dass Sie um unser Seelenheil besorgt waren. Wir haben hauptsächlich mitgemacht, um Ihnen unsere Zuneigung zu beweisen. Nicole lächelte. Zumindest glaube ich, das war der Grund...
Der Boden unter ihren Füßen begann heftig zu beben, und General OToole blieb in plötzlichem Schrecken stehen. »Wahrscheinlich ist das genau das, was bei dem letzten Manöver auch passiert ist«, sagte Nicole und ergriff den General bei der Hand, um ihnen beiden größere Standfestigkeit zu geben. »Obwohl ich damals bewusstlos auf dem Grund einer Grube lag und es verpasst habe.«
»Aber dann war ja das ganze Lichterspiel nichts weiter
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