Rendezvous mit Übermorgen
anfangen.« Sie lächelte bitter. »Jetzt weiß ich, wie Menschen in der Todeszelle zumute sein muss.«
Der General kam von der anderen Seite des Raums herüber. In der linken Hand hielt er zwei der kleinen schwarzen Bälle. »Wisst ihr was«, sagte er, »ich hab mir oft überlegt, was ich tun würde, falls mir einmal eine eindeutige, klar begrenzte Spanne Zeit vor dem Sterben bleiben sollte. Und hier bin ich nun, und meine Gedanken kreisen immer nur um ein und dasselbe.«
»Und das ist?«, fragte Nicole.
»Ist jemand von euch getauft?«, fragte OToole zögernd.
» Waaas?«, rief Richard erstaunt und begann zu lachen.
»Hab ich's mir doch gedacht«, sagte General O'Toole. »Und wie steht's mit Ihnen, Nicole?«
»Nein, Michael«, antwortete sie ruhig. »Mein Vater war mehr an der Historie und den Histörchen der katholischen Kirche interessiert als an ihren Ritualen.«
»Also«, drängte der General. »Ich möchte euch gern taufen, wenn ihr wollt.«
»Hier? Jetzt?«, fragte Wakefield verblüfft. »Täuscht mich mein Ohr, Nikki, oder habe ich soeben vernommen, dass dieser ehrenwerte Herr da uns vorschlägt, wir sollten das letzte Stündlein unseres Lebens damit vergeuden, dass wir uns taufen lassen?«
»Es dauert doch ...«, begann Michael O'Toole.
»Aber warum denn nicht, Richard?«, unterbrach ihn Nicole. Sie stand auf, und über ihr Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln. »Was sonst müssten wir denn noch tun? Und es ist verdammt viel weniger sinnlos, als wenn wir hier grämlich herumhocken und vor uns hingrübeln, während wir auf den großen Feuerball warten.«
Richard gackerte fast vor Wonne. »Es ist wundervoll!«, krähte er hingerissen. »Ich, Richard Wakefield, mein Leben lang Atheist, erwäge, als krönenden Akt meines Lebens, mich an Bord eines extraterrestrischen Raumschiffes taufen zu lasen. Ich bin entzückt!«
»Denk mal dran, was Pascal dazu gesagt hat«, bemerkte Nicole spöttisch.
»Ah. Ja. Eine simple Matrix, aufgestellt von einem der großen rationalistischen Denker der Erde: Es kann einen Gott geben, oder nicht; ich kann an ihn glauben, oder nicht. Ich kann also nur das Spiel verlieren, wenn es Gott gibt, und ich nicht an ihn glaube. Also glaube ich doch lieber an ihn, um mein Risiko zu minimieren.« Richard gluckste vor Vergnügen. »Aber ich bin nicht bereit, an Gott zu glauben, nur damit ich getauft werden kann.«
»Ach, sag schon ja«, bat Nicole.
»Aber warum denn nicht?«, äffte er Nicoles vorige Äußerung nach. »Vielleicht brauch ich dann nicht in dieser Rumpelkammer von Limbo, dem katholischen Fegefeuer, mit den ganzen tugendsamen Heiden und den unschuldigen, aber ungetauften Kindern herumsitzen.« Er grinste OToole an. »Einverstanden, General, wir übergeben uns. Tun Sie das Nötige!«
»Also, TB, jetzt hör mal ganz genau zu«, sagte Richard. »Du bist wahrscheinlich der einzige Roboter bis auf weiteres, der einem Menschen bei seiner Taufe in der Tasche sitzt.«
Nicole stupste Richard mit dem Ellbogen in die Rippen. General OToole wartete geduldig noch ein paar Augenblicke, dann begann er mit der Zeremonie.
Auf Richards Drängen hin waren sie aus dem Höhlenbau hinaufgestiegen und auf die offene Plaza gegangen. Er hatte sich für den Taufakt »den Ramahimmel über mir« gewünscht, und die zwei anderen hatten nichts dagegen. Nicole war ans Zylindrische Meer gewandert, um dort das Taufwasser in einer Trinkflasche zu holen. Der General hatte währenddessen seine Vorbereitungen beendet. Es war offensichtlich, dass er die Taufzeremonie sehr ernst nahm, aber ebenso klar, dass er sich von Richards leichtfüßigem Spötteln nicht gekränkt fühlte.
Nicole und Richard knieten vor OToole nieder. Dieser träufelte ihm Wasser über den Kopf. »Richard Colin Wakefield, ich taufe dich - im Namen des Vaters - und des Sohnes - und des Heiligen Geistes.«
Nachdem OToole auch Nicole in der selben schlichten Art getauft hatte, stand Richard auf. Er sagte mit breitem Lächeln: »Ich fühle mich überhaupt nicht verändert. Ich bin noch genauso wie zuvor - das heißt, ich hab die Hosen gestrichen voll, weil ich in einer halben Stunde sterben soll.«
Michael OToole war bewegungslos stehengeblieben. »Richard«, sagte er leise, »bitte knien Sie noch einmal nieder, mir zuliebe, ja? Ich möchte ein kurzes Gebet sprechen.«
»Ja, wie haben wir's denn?«, fragte Richard. »Zuerst eine Taufe, dann noch die Beterei?« Nicole blickte ihn von unten her an. Ihre Augen baten ihn,
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