Rendezvous mit Übermorgen
Strahlungsertrag und die übrigen Parameter selbst berechnen.«
Die Zeit wurde knapp, und sie waren alle drei ziemlich erschöpft. In den letzten Stunden überwältigte O'Toole seine Müdigkeit, und auf Nicoles hartnäckiges Drängen hin legte er eine längere Ruhepause ein. Seine Biometrie-Werte deuteten auf eine Überlastung des Herzens hin. Sogar Richard schlief neunzig Minuten lang. Sich selbst gönnte Nicole den Luxus einer Ruhepause nicht. Sie war fest entschlossen, irgendeine Methode zu erarbeiten, um graphisch die Zerstörungskraft der Waffen darzustellen.
Als die Männer erwachten, konnte Nicole sie überzeugen, dass sie dem zweiten Botschaftsteil einen kurzen Anhang hinzufügen sollten, in dem gezeigt würde, was mit einer Stadt oder einem Wald auf der Erde geschehen würde, wenn in der Nähe eine Atombombe von einer Megatonne Sprengstoff explodierte. Damit diese bildhafte Darstellung überhaupt verständlich werden konnte, musste Richard natürlich sein ursprüngliches Glossar erweitern, in dem er mathematisch genau die chemischen Elemente und ihre Symbole definiert hatte, und einige zusätzliche Größenangaben anfügen. »Wenn sie das kapieren«, knurrte er, während er an seinen Lineargraphiken von Gebäuden und Bäumen Größenskalen anbrachte, »dann sind sie noch gescheiter, als sogar ich ihnen zutrauen würde.«
Dann war die Botschaft endlich fertig und gespeichert. Sie gingen das Ganze noch einmal kritisch durch und brachten ein paar Korrekturen an. »Unter den Kommandotasten, die ich bisher einfach nicht begreifen kann«, sagte Richard, »sind fünf, von denen ich mit einigem Grund vermute, dass sie die Verbindung zu Prozessoren auf einem höheren Niveau bilden. Aber natürlich vermute ich das bloß, aber ich denke, nicht unbegründet. Ich werde unsere Botschaft fünfmal weitergeben und dabei jeweils eine dieser Befehlstasten einmal benutzen ... und dann hoffen, dass die Warnung irgendwie im Zentralcomputer landet.«
Während Richard damit beschäftigt war, machte Nicole mit dem General einen Spaziergang. Sie stiegen die Treppe hinauf und wanderten dann um die Wolkenkratzer von New York herum.
»Sie sind überzeugt, nicht wahr, dass es uns bestimmt war, Rama zu betreten und die Weiße Kammer zu finden?«
»Ja«, sagte Nicole einfach.
»Aber welche Absicht steckt dahinter?«, fragte Michael OToole. »Wenn die Ramaner nichts weiter wollten, als mit uns in Kontakt zu kommen, wieso dann derartig ausgetüftelte Umwege? Und wieso gehen sie das Risiko ein, dass wir ihre Absichten falsch interpretieren?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Nicole. »Vielleicht unterziehen sie uns irgendwie einer Prüfung. Um herauszufinden, von welcher Art wir sind.«
»Heiliger Himmel!«, sagte OToole. »Was für ein erschreckender Gedanke. Dann gehen wir vermutlich als Geschöpfe, die Besucher mit nuklearen Kokosnüssen bombardieren, in die kosmische Zoographie ein.«
»So ist es«, sagte Nicole.
Dann zeigte sie dem General die Scheune mit den Gruben, das Netzgeflecht, aus dem sie den Vogel gerettet hatte, die verwirrenden Polyhedra und die Eingänge zu den anderen beiden Untergrundbauten. Inzwischen war ihre Müdigkeit überwältigend, aber sie wusste, sie würde erst schlafen können, wenn alles entschieden war.
»Sollten wir nicht lieber umkehren?«, sagte OToole, nachdem sie bis zur Zylindersee gewandert waren, um zu sehen, ob das Segelboot noch unversehrt an der Stelle lag, wo sie festgemacht hatten.
»Mir recht«, antwortete Nicole müde. Sie schaute auf die Uhr. Es blieben noch genau drei Stunden und achtzehn Minuten, bis die erste Atomrakete Rama treffen würde.
62 Die letzte Stunde
Seit fünf Minuten hatte keiner von ihnen ein Wort gesagt. Sie saßen alle drei eingesponnen in ihre ganz persönliche Welt da und dachten daran, dass die erste Rakete in weniger als einer Stunde eintreffen würde. Richard raste im Eiltempo durch sämtliche Sensor-Outputs und suchte vergeblich nach irgendeinem Indiz dafür, dass Rama Schutzvorkehrungen in Gang setzte.
»Scheiße!«, murmelte er, als er wieder die Radarvergrößerung ansah, auf der die Führungsrakete immer näher und näher heranrückte.
Dann kam er zu Nicole herüber, die in einer Ecke hockte. »Es muss schiefgegangen sein«, sagte er leise. »Nichts hat sich geändert.«
Nicole rieb sich die Augen. »Wenn ich doch nur nicht so müde wäre«, sagte sie. »Sonst könnten wir vielleicht mit unseren letzten fünfzig Minuten was Interessantes
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