Rendezvous mit Übermorgen
als ein Vorzeichen für das Manöver?« »Wahrscheinlich. Und deswegen ist Richard so außer sich geraten.« Sie waren kaum am Schachtdeckel angelangt, als Richard ihnen die Stufen herauf entgegen geschossen kam.
»Sie haben's gemacht!«, jubelte er. »Sie haben es tatsächlich gemacht!«
OToole und Nicole starrten ihn stumm an, bis er wieder genug Luft hatte. »Sie haben so 'ne Art Maschennetz - ich weiß nicht genau, was - vielleicht so an die sechs-, achthundert Meter dick - um das Raumschiff gelegt.« Er machte kehrt. »Los, kommt schon!« Er nahm drei Stufen auf einmal, als er wieder in den Schacht eilte.
Trotz ihrer Erschöpfung reagierte Nicoles Körper auf die erregende Neuigkeit mit einem äußersten Adrenalinstoß. Sie eilte hinter Richard her und lief in die Weiße Kammer. Richard stand vor dem schwarzen Schirm und wechselte zwischen der Außenansicht, die eine neue Materialhülle um Rama zeigte, und dem Radarbild mit den anfliegenden Raketen hin und her.
»Sie müssen unsere Warnung begriffen haben«, sagte er zu Nicole. Er hob sie jubelnd hoch, gab ihr einen Kuss und schwenkte sie durch die Luft. »Es hat funktioniert, Liebste! Danke! Oh, ich danke dir!«
Auch Nicole war aufgeregt. Aber sie war noch nicht überzeugt, dass Ramas Reaktion die Vernichtung des Raumschiffs verhindern werde. Als auch der General angekommen war und Richard ihm erklärt hatte, was sich ihnen auf dem Bildschirm bot, blieben nur noch neun Minuten. Nicole spürte Schmetterlinge von der Größe einer Manna-Melone im Bauch flattern. Und das tektonische Beben hielt an, während Rama das Manöver weiter fortsetzte.
Die Atomrakten waren ganz offensichtlich mit Zielsuchern ausgerüstet, denn obwohl Rama eindeutig eine Kursänderung vornahm, kamen die Geschosse weiterhin auf gerader Bahn näher. Die Radarvergrößerung zeigte, dass die sechzehn Waffen in beträchtlichem Abstand zueinander flogen. Die geschätzten Aufschlagzeiten verteilten sich auf eine Spanne von geringfügig weniger als einer Stunde.
Richards wilde Aktivität wuchs noch an. Er tanzte ausgelassen im Raum herum. Irgendwann zog er TB aus der Tasche, stellte den kleinen Roboter auf den Boden und begann hastig auf ihn einzureden, als spräche er zu seinem engsten Freund. Einmal sagte er TB, er solle sich für die kommende Explosion bereitmachen; aber eine Sekunde darauf erklärte er ihm, dass Rama den heranschießenden Raketen auf wunderbare Weise entkommen werde.
Der General bemühte sich, ruhig zu bleiben, was sich jedoch als unmöglich erwies, da Richard wie ein tollwütiger Dachs umherschoss. O'Toole setzte zum Sprechen an, wollte Richard etwas sagen, entschloss sich jedoch, stattdessen lieber in den Tunnel hinauszugehen, wo er ein wenig Ruhe zu finden hoffte.
Als Richard einmal einen kurzen Moment lang nicht in Bewegung war, trat Nicole zu ihm und fasste ihn an den Händen. Sie sagte: »Liebster, sei still. Wir können doch gar nichts tun.«
Richard starrte seine Freundin und Geliebte sekundenlang stumm an, dann schlang er die Arme um sie. Er küsste sie mit fast hemmungsloser Wut, dann setzte er sich auf den schwankenden Boden und zog sie neben sich. »Ich hab Angst, Nicole«, sagte er. Er zitterte am ganzen Leib. »Ich hab eine Scheißangst... Und ich hasse es, dermaßen hilflos zu sein.«
»Ich hab auch Angst«, sagte sie zärtlich und griff wieder nach seinen Händen. »Und Michael auch.«
»Aber ihr zwei spielt beide nicht verrückt. Ich komme mir wie ein Idiot vor, dass ich hier so herumschieße wie Tigger in Winnie the Pooh.«
»Jeder begegnet dem Tod auf andere Weise«, sagte Nicole. »Angst haben wir alle. Aber jeder versucht eben auf seine ganz persönliche Weise damit fertig zu werden.«
Richard wurde ruhiger. Er warf einen Blick auf den großen Monitor und danach auf seine Armbanduhr. »Noch drei Minuten bis zum ersten Einschlag«, sagte er.
Nicole nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn weich auf den Mund. »Ich liebe dich, Richard Wakefield«, murmelte sie.
»Und ich liebe dich«, antwortete er.
Richard und Nicole saßen still auf dem Boden, hielten sich an den Händen und schauten auf den schwarzen Bildschirm, als die erste Rakete den Rand des dichten Gewebes erreichte, das Rama umspannte. General OToole war vor einer halben Minute zurückgekommen und stand nun hinter ihnen in der Tür. Im Augenblick des Einschlags gab das Gespinst an der Kontakt-stelle nach, fing den Aufprall ab, ließ jedoch die Rakete tiefer eindringen.
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