Rendezvous
Flüssigkeit in seinem Glas kreisen, und seine grünen Augen funkelten gehässig. »Vorher müssen Sie mir erlauben, Ihnen zu Ihrer Verlobung zu gratulieren.«
»Danke.« Harry wartete.
»Miss Ballinger scheint überhaupt nicht Ihr Typ zu sein. Ich fürchte, sie hat die Neigung ihrer Familie zum Leichtsinn und zum Unfug geerbt. Eine seltsame Konstellation, wenn ich mir erlauben darf, das einmal so zu sagen.«
»Sie dürfen es sich nicht erlauben.« Harry lächelte kühl. »Außerdem habe ich etwas dagegen, dass Sie mit meiner Verlobten Walzer tanzen.«
Lovejoy musterte ihn boshaft und schadenfroh. »Miss Ballinger tanzt sehr gern Walzer. Sie hat mir gesagt, ich sei ihr ein angenehmer Partner, weil ich gut tanzen kann.«
Harry starrte wieder in das Kaminfeuer. »Es wäre für alle Beteiligten das beste, wenn Sie sich jemand anderen suchen, den Sie mit Ihrem tänzerischen Können beeindrucken.«
»Und wenn ich es nicht tue?« höhnte Lovejoy behutsam.
Harry stieß einen tiefen Seufzer aus und stand von seinem Stuhl auf. »Wenn Sie es nicht tun, dann zwingen Sie mich, andere Maßnahmen zu ergreifen, um meine Verlobte vor Ihren Aufmerksamkeiten zu bewahren.«
»Und Sie glauben wirklich, dass Ihnen das gelingt?«
»Ja« sagte Harry. »Das glaube ich. Und ich werde es auch tun.« Er griff nach seinem Cognacglas und leerte es. Dann wandte er sich wortlos ab und ging zur Tür.
Soviel zu meinen voreiligen Bemerkungen, ich würde mich nicht wegen einer Frau duellieren, dachte Harry kläglich. Er wusste, dass er gerade eben sehr kurz davor gestanden hatte, Lovejoy zu einem Duell herauszufordern. Wenn Lovejoy nicht auf seine Andeutungen reagierte, dann konnte es ohne weiteres zu einem ärgerlichen melodramatischen Vorfall kommen — Pistolen im Morgengrauen.
Harry schüttelte den Kopf. Er war erst seit zwei Tagen verlobt, und bereits jetzt brachte Augusta sein ruhiges, geordnetes Dasein reichlich durcheinander. Da musste man sich allerdings fragen, wie das Leben wohl nach der Heirat mit dieser Frau aussehen würde.
Augusta hatte sich auf dem blauen Lehnstuhl neben dem Fenster der Bibliothek zusammengerollt und schaute finster auf den Roman herab, der aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag. Seit mindestens fünf Minuten versuchte sie, die Seite zu lesen, auf die ihr Blick fiel. Doch jedesmal, wenn sie den ersten Absatz zur Hälfte durchgelesen hatte, ließ ihre Konzentration nach, und sie musste noch einmal von vorn beginnen.
In der letzten Zeit war es ihr nicht möglich, an irgendein anderes Thema als an Harry zu denken. Sie konnte nicht glauben, dass eine Reihe von Ereignissen, die sich überstürzt hatten, sie in die Situation gebracht hatten, in der sie sich jetzt befand.
Am allerwenigsten konnte sie ihre eigene Reaktion auf diese Ereignisse verstehen. Von dem Moment an, als sie plötzlich und unerwartet in Harrys Bibliothek auf dem Fußboden gelegen hatte und sich von einem ersten Vorgeschmack auf Leidenschaft hatte mitreißen lassen, lief sie benommen durch die Gegend und konnte nicht mehr klar denken.
Jedesmal, wenn sie die Augen schloss, durchlebte sie von neuem, wie aufregend Harrys Kuss gewesen war. Die Glut seines Mundes versengte sie selbst jetzt noch. Die Erinnerung an seine schockierend intimen Berührungen besaß immer noch die Macht, ihre Knie weich werden zu lassen.
Und Harry beharrte immer noch auf einer Eheschließung.
Als die Tür aufging, blickte sie erleichtert auf.
»Hier bist du, Augusta. Ich habe dich überall gesucht.« Claudia lächelte, als sie den Raum betrat. »Was liest du gerade? Ich nehme an, auch diesmal wieder einen Roman?«
»Der Altertümler.« Augusta klappte das Buch zu. »Sehr unterhaltsam und voller Abenteuer, und es gibt eine verschollene Erbin, und immer wieder gelingt ein Entkommen erst im allerletzten Moment.«
»Ach ja. Der neue Roman von Waverly. Ich hätte es mir ja denken können. Versuchst du immer noch, hinter die Identität des Autors zu kommen?«
»Es muss Walter Scott sein. Ich bin felsenfest davon überzeugt.«
»Anscheinend geht es vielen anderen Leuten auch so. Ich sage es dir, der Umstand, dass der Autor seine Identität geheim hält, trägt wahrscheinlich enorm zu den hohen Verkaufszahlen seiner Bücher bei.«
»Das glaube ich nicht. Es sind äußerst erfreuliche Geschichten. Sie verkaufen sich aus demselben Grund, aus dem sich Byrons epische Gedichte verkaufen. Es macht Spaß, sie zu lesen. Selbst wenn man das Buch aus der Hand legen will, muss man
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