Rendezvous
gewöhnen.«
Harry sah sie finster an. »Mit den Geschichten über deinen tapferen und abenteuerlustigen Bruder scheinst du sie ziemlich beeindruckt zu haben.«
Augusta schaute gleichermaßen finster. »Richard war wirklich tapfer und abenteuerlustig.«
»Hm.« Harrys Tonfall war unverbindlich.
»Harry?«
»Ja?« Harrys Blick ruhte auf Meredith.
»Sind dir die Gerüchte, die zu der Zeit in Umlauf waren, als Richard gestorben ist, je zu Ohren gekommen?«
»Ich weiß von ihnen, Augusta. Ich erachte sie als unwesentlich.«
»Ja, natürlich. Es sind alles Lügen. Aber die unbestreitbare Tatsache bleibt bestehen, dass man in der Nacht, in der er ermordet wurde, Dokumente bei ihm gefunden hat. Ich gestehe, dass ich mir oft Gedanken über diese Dokumente gemacht habe.«
»Augusta, manchmal muss man sich mit der Vorstellung abfinden, dass man nicht auf alle Fragen Antworten bekommt.«
»Das ist mir durchaus klar. Aber ich habe schon seit langem eine Theorie zum Tod meines Bruders, die ich zu gern beweisen würde.«
Harry schwieg einen Moment lang. »Wie lautet deine Theorie?«
Augusta holte tief Atem. »Mir ist aufgegangen, dass die Gründe dafür, dass Richard diese Dokumente in jener Nacht bei sich hatte, darin zu suchen sein könnte, dass er ein militärischer Geheimagent für die Krone war.«
Als ihm diese Äußerung keine Reaktion entlockte, wandte sich Augusta um und sah Harry an. Sein Blick war, unter gesenkten Lidern und jetzt unergründlich, immer noch auf seine Tochter geheftet.
»Harry?«
»War das die Theorie, von der du wolltest, dass Lovejoy ihr in deinem Namen nachgeht?«
»Ja, genau das war sie. Sag mir eins — hältst du das nicht für sehr gut möglich?«
»Ich halte es für hochgradig unwahrscheinlich«, sagte Harry mit ruhiger Stimme.
Es erboste Augusta, dass er ihre schon seit langem gehegte Theorie so beiläufig abtat. »Schon gut. Ich hätte das Thema gar nicht erst zur Sprache bringen sollen. Woher solltest du schließlich etwas über solche Dinge wissen?«
Harry atmete tief aus. »Ich hätte es gewusst, Augusta.«
»Das halte ich für verflucht unwahrscheinlich.«
»Ich hätte es gewusst, weil Richard, wenn er ein legitimer Geheimagent der Krone gewesen wäre, höchstwahrscheinlich für mich gearbeitet hätte.«
11. Kapitel
»Was soll das heißen, wenn du sagst, du hättest gewusst, dass mein Bruder während des Krieges heimlich für England gearbeitet hätte?« Augusta saß angespannt da, und ihr schwirrte der Kopf. »Und was, auf Erden, hast du getan, was dich überhaupt an solche Informationen gebracht hätte?«
Harry blieb in seiner bequemen Haltung liegen, löste jedoch endlich seinen Blick von Meredith und schaute Augusta direkt ins Gesicht. »Was ich getan habe, ist heute nicht mehr von Bedeutung. Der Krieg ist vorbei, und ich vergesse nur zu gern die Rolle, die ich darin gespielt habe. Es genügt zu sagen, dass ich damit zu tun hatte, geheime Informationen für England zusammenzutragen.«
»Du warst ein Spion?« Augusta war bestürzt.
Seine Mundwinkel verzogen sich ein wenig. »Offensichtlich, meine Liebe, siehst du in mir keinen Mann der Tat.«
»Nein, das ist es nicht.« Sie zog die Stirn in Falten und dachte hastig nach. »Ich gestehe, dass ich mich allerdings gefragt habe, wo du es gelernt hast, Schlösser aufzubrechen, und du hast wahrhaftig die Angewohnheit, immer dann aufzutauchen, wenn ich dich am allerwenigsten erwarte. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Verhalten einem Spion sehr ähnlich sieht. Dennoch hat es einfach nichts mit dir zu tun, auf einem solchen Gebiet Karriere zu machen.«
»Ich stimme dir von ganzem Herzen zu. Ich habe meine Aktivitäten zu Kriegszeiten auch tatsächlich nie als eine Karriere angesehen. Ich habe sie als verdammt lästig empfunden. Diese ganze Geschichte war eine enorm ärgerliche Störung, die mich daran gehindert hat, meine eigentliche Arbeit fortzuführen, nämlich meine humanistischen Studien zu betreiben und mich um meine Ländereien zu kümmern.«
Augusta biss sich auf die Unterlippe. »Das muss sehr gefährlich gewesen sein.«
Harry zuckte die Achseln. »Nur in Ausnahmefällen. Die meiste Zeit habe ich hinter einem Schreibtisch verbracht und die Aktivitäten anderer geleitet oder an Briefen herumgegrübelt, die in einem Code oder mit Geheimtinte verfasst waren.«
»Geheimtinte.« Augusta ließ sich davon einen Moment lang ablenken. »Du meinst Tinte, die auf Papier unsichtbar ist?«
»Mhm.«
»Das ist ja
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