René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
aus Hamburg
zurückgelegt, eine Runde soll noch folgen. Das ist Schnitzler zu viel. »Ich geh nach Hause«, teilt er Co-Trainer Guido Hoffmann mit, »ich hau ab.« Am Tag seiner Ankunft fährt er auch gleich wieder nach Hamburg zurück, und als er vom Auto aus Holger Stanislawski anruft, klingt die Erleichterung darüber durch, Cottbus und die Herausforderung Erste Liga gleich wieder hinter sich zu lassen: »Wir sehen uns kommende Saison, das hier ist nichts für mich. Ich beiße mich bei St. Pauli durch.« In Ordnung, entgegnet der Trainer, er bekomme eine faire Chance.
So behält der FC St. Pauli den Spieler René Schnitzler und mit ihm auch jede Menge Probleme. Es ist Juli 2008. Schnitzler hat sich schon vor Wochen mit der Wettmafia eingelassen.
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DER WETTSKANDAL
Ein paar Tage vor dem letzten Spieltag der Zweitliga-Saison 2007/2008 setzt sich Kosta in René Schnitzlers weißen Mercedes CLS und fährt mit seinem Zockerkumpel die A1 hinunter in Richtung Westen. Sie wollen Geld holen, in Mönchengladbach hat Schnitzler eine fünfstellige Summe zu bekommen. Das sei aber nicht so einfach, hat Schnitzler erzählt und Kosta schließlich überzeugt, ihn zu begleiten. Das Ziel ist ein illegales Spielkasino.
Als sie den Laden am Nachmittag betreten, wird Schnitzler gleich von mehreren Leuten in Empfang genommen. Alle, so beobachtet es Kosta, kennen ihn, aber nicht alle sind ihm freundlich gesonnen. Als einer Schnitzler mit vor die Tür nimmt, bleibt Kosta zurück. Die anderen schauen ihn an, offenbar ist ihnen klar, was jetzt draußen passiert. Kosta aber, der es gewohnt ist zu wissen, was Sache ist, muss erst mal kurz überlegen. »Passt auf«, sagt er zu den Typen, »wenn ihr uns das Geld nicht geben wollt, müsst ihr uns schon erschießen. Ohne Geld gehen wir hier nicht weg.« Die Angesprochenen zucken nur mit den Schultern. Mehr hat Kosta auch nicht erwartet. Er erlebt so eine Situation nicht zum ersten Mal in seinem Leben. Da fallen gewöhnlich keine großen Worte.
Dann kommt Schnitzler zurück ins Gebäude, winkt Kosta zu sich, deutet nach draußen. Die beiden gehen zum Auto, setzen sich. Schnitzler hat nicht die volle Summe bekommen, ein paar Tausender fehlen. »Wir fahren jetzt nach Viersen«, sagt er.
»Viersen war nicht weit, aber ich hätte eigentlich schon da direkt zurück nach Hamburg fahren können. Hamburg –
Mönchengladbach – Hamburg, mehr hatten wir nicht ausgemacht«, sagt Kosta im Rückblick. Die Tour allerdings wird länger. Und nur Kosta hat das nicht gewusst.
In Viersen treffen sie Uli Hamanns in dessen illegalem Laden, fahren von dort über die deutsch-niederländische Grenze und weiter an die Nordsee, bis zum »Hus de Duin«, einem Fünf-Sterne-Hotel mit eigenem Hubschrauber-Landeplatz. »Lach dich bloß nicht kaputt über den Paul«, warnt Hamanns Schnitzler im Auto. Er meint das Aussehen des Mannes, den sie treffen werden. Mit Schnitzler hat er schon über weitaus weniger gelacht.
Paul heißt mit Nachnamen Rooij und wartet in der Lobby des Nobelhotels. Er will an diesem Tag mit Schnitzler und Hamanns ins Geschäft kommen. Schnitzler soll Spiele verschieben, Rooij will darauf wetten. Hamanns kennt Rooij schon seit vielen Jahren, er hat ihm mal Geld geliehen, als Paul aus dem Gefängnis kam. Nun steht er in Rooijs Schuld – fünfstellig. Auch Schnitzler braucht dringend Geld. Soviel Geld, dass er seine Karriere riskiert.
Rooij nämlich, ein langer, dünner, glatzköpfiger Niederländer, der teure Lederschuhe und einen dunklen Anzug trägt, ist in der Szene der Wettbetrüger keine kleine Nummer. Die Staatsanwaltschaft Bochum wird später in einem internen, mehr als 1 000 Seiten langen und streng vertraulichen Dossier (»nicht in Ermittlungsakte übernehmen, nur für den Dienstgebrauch«) erste Erkenntnisse zu »Paulus Alexander Martinus Rooij, genannt Paul« festhalten. Der, so ist darin unter Punkt 3.7.4 zu lesen, wurde am 4. März 1959 in Kromenie in den Niederlanden geboren, lebt heute in Amsterdam und unterhält einen »Zweitwohnsitz in Monaco«. Rooij, heißt es weiter, nehme Sportwetten von Nürettin Günay an, die er bei asiatischen Wettanbietern setze. Er habe
dabei auch mit dem Malaien William Bee Wah Lim zu tun. Nürretin Günay, genannt Nuri, Wettbürobetreiber in Lohne bei Osnabrück und einer der größten Wettpaten in Deutschland, nehmen die Bochumer Strafverfolger später in Untersuchungshaft. Im Wettskandalprozess sagt er umfangreich und als Erster aus und wird im April
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