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René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus

René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus

Titel: René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wigbert Löer , Rainer Schã¤fer
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hat er es trotzdem. »Ich hatte so oft Bock auf Burger«, sagt er. Große Reue empfindet er nicht.
    Schnitzler ist Dauermitglied im so genannten Fettklub, wo sich die übergewichtigen Profis zum Sondertraining versammeln sollen. Er hat fast immer zwei, drei Kilos zu viel auf den Rippen. Nach dem Training soll der Fettklub noch 45 Minuten laufen. »Das haben wir aber selten gemacht«, sagt Schnitzler. An einem Montag um 15 Uhr sollen sie in einem Fitnessklub auf Fahrrädern Kalorien verbrennen. »Ich war froh, als Marius Ebbers kam«, erzählt Schnitzler. »Der dicke Ebbers lag immer noch über mir im Gewicht.« So denkt Schnitzler: Warum sollte er Gewicht abbauen, wenn er nicht mal der Schwerste in der Truppe ist?
     
    Als der St. Pauli-Profi René Schnitzler im März 2008 in einem Wettbüro bei Sportwetten 2 500 Euro gewinnt und ein Bündel Geldscheine in die Tasche steckt, wird er dabei
von C-Jugend-Spielern seines Klubs gesehen. Die 13-Jährigen erzählen, was sie beobachtet haben, und wenig später erfährt auch Holger Stanislawski davon. Nach dem nächsten Training fragt er Schnitzler, was da los gewesen sei. Wetten und Zocken, Stanislawski kennt sich damit aus.
    »Er wollte mir helfen, wenn ich ein Problem hätte mit dem Glücksspiel«, erinnert sich Schnitzler. »Er sagte, ›pass auf, Patsche, ein guter Freund von mir, hat alles verloren‹ und dass ich aufhören solle mit dem Scheiß.« Nico Patschinski, den alle Patsche rufen, spielte mit Stanislawski in jener Mannschaft, die 2001 überraschend den Aufstieg in die Erste Liga schaffte. Inzwischen stürmt er für den Oberligisten Borussia Neunkirchen und arbeitet als Lagerist. Seine Frau hat ihn mit dem gemeinsamen Kind verlassen, weil Patschinski wiederholt das Haushaltsgeld verspielte.
    Die Saison geht langsam zu Ende, und es ist Stanislawski nicht entgangen, dass Schnitzler manchmal übernächtigt zum Training erscheint, dass er überhaupt viel zu wenig aus seiner Begabung macht. Übergewichtig, undiszipliniert, verzockt – der Trainer verlangt von seinem Spieler, dass der sich endlich anders verhält. Aber Schnitzler will sich nichts sagen lassen. Nach einem Training vor dem letzten Saisonspiel in Mainz nimmt Stanislawski Morike Sako, Ahmet Kuru und Schnitzler zur Seite und legt ihnen einen Vereinswechsel nahe. Bei Schnitzler fällt ihm das besonders schwer. Der Stürmer erinnert sich: »Er sagte, dass ich dumm sei und endlich auch im Kopf Profi werden müsse. Fußballerisch müsse ich bei einem Topklub der Bundesliga spielen. Fußballerisch sei ich weltklasse, im Kopf kreisklasse, das waren seine Worte.«
    Es ist jene Einschätzung, die Schnitzler heute selbst gern zum Besten gibt und der er durchaus etwas Positives abgewinnen
kann – nicht jeder ist ja unterhalb des Kopfes weltklasse. Der absolute Superspieler, sagt Stanislawski, ließe sich aus Schnitzler und Carsten Rothenbach formen. Rothenbach gilt als Musterprofi, der zuerst denkt und dann handelt. Dieser Gedanke gefällt Schnitzler nicht so sehr, mit dem Kopf von Rothenbach, so sieht er das, wäre er »ein Streber und Langweiler«. Aber in einem gibt er Stanislawski im Rückblick Recht: »Natürlich habe ich mein Potenzial verschwendet. Ich kann nicht clever sein, wenn ich mit 26 ohne Verein und mit 97 Kilo herumsitze und Burger esse.«
     
    Die Vorbereitung zur Saison 2008/2009 ist gerade angelaufen, da lässt sich Schnitzler zu einem Probetraining bei Energie Cottbus überreden. Sein Berater hat ihn angerufen, »fahr hin, gib Gas, die spielen Erste Liga«, hat er gesagt. Schnitzler rast in Richtung Lausitz, die Sonne scheint, auch die Strecken durch endlose Wälder gefallen ihm. Aber je näher er an Cottbus heranrauscht, desto weniger gefällt ihm der Gedanke an einen Wechsel. »Cottbus war ekelhaft, verqualmt und grau. Nichts als Plattenbauten und Kopfsteinpflaster. Damit wollte ich nichts zu tun haben«, sagt Schnitzler heute. Er spricht, als sei er im Dezember 1989 durch die graue DDR gefahren.
    Zwei Tage lang soll er vorspielen, Cottbus-Trainer Boris Prašnikar sucht Verstärkung im Angriff. Schnitzler hat die Vorgaben vom FC St. Pauli für die Sommerpause ignoriert, und so trägt er unter dem Trainingsleibchen einen Bauchansatz. Dass er jetzt erstmal laufen soll, macht die Sache nicht einfacher. Am Ball könnte er noch gefallen, den interessierten Verein beeindrucken, aber nicht in Laufschuhen.
    Drei Runden von jeweils mehreren Kilometern haben die Cottbuser Spieler und der Trainingsgast

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