René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
Fußball-Nationalspieler antreten, gegen Thomas Müller etwa, gegen Lukas Podolski, Patrick Helmes oder Stefan Kießling – und natürlich gegen Marcell Jansen. Dafür muss man Mitglied werden und pro Monat fünf Euro zahlen. Mit einem Teil der Beiträge unterstützt V-I-Poker wohltätige Zwecke.
Max Kruse vom FC St. Pauli wurde noch nicht zum Pokern in die Nobelhotels geladen, dabei wäre der Mittelfeldspieler, der seinen Vertrag beim FC St. Pauli um drei Jahre verlängerte, sicher ein Gewinn für die Runde gewesen. Kruse ist kein unerfahrener Glücksspieler und dutzende Male bei Partien und an Roulettetischen im Kasino Schenefeld gesehen worden. Er verkehrte auch in der Hamburger Spielbank Esplanade an der Innenalster. Zudem pokerte Kruse online.
Dort trat er bei Turnieren an und setzte sich auch an die virtuellen Cash-Game-Tische, an denen René Schnitzler ein Vermögen verlor. Kruses Online-Bilanz ist besser, aber nicht gut. Er verzockte mehr als 11 000 Euro. Kruse wechselte von Werder Bremens Amateurmannschaft zum FC St. Pauli, war dort dann keineswegs ein Spitzenverdiener. Zu seinem Spielverhalten jenseits des Rasens wollte Max Kruse auf Anfrage nichts sagen.
Claus-Dieter Wollitz ist auskunftsfreudiger. Beim VfL Osnabrück pokerten zu Zweitligazeiten nicht nur ein paar Spieler. »Eine Zeit lang war es extrem«, erinnert sich Wollitz, der die Mannschaft damals trainierte und heute bei Energie Cottbus engagiert ist. »Es wurde vor dem Training gespielt und nach dem Training sogar noch vor dem Duschen weitergespielt, ebenso auf dem Weg zu Auswärtsspielen und auf der Heimreise.« Er selbst habe das erlaubt, es sei manchmal »gut für die Lockerheit« gewesen und auch »aus Stimmungsgründen« nicht verkehrt. »Wenn ich das Gefühl hatte, dass ein Spieler darunter leidet, habe ich dafür gesorgt, dass er aufhört.«
Doch der Grad zwischen Zerstreuung und Suchtbefriedigung, zwischen lockerer Stimmung und verbissenem Spiel ist schmal, niemand weiß das besser als Claus-Dieter Wollitz. Der Wettskandal ergriff den VfL Osnabrück mit voller Kraft, nachweislich verlor die Mannschaft Spiele, in denen sich einige Spieler hatten kaufen lassen – von Wettmafiosi. Wollitz ereiferte sich damals, Unkorrektheit, sagt er heute, sei für ihn »das Schlimmste, was es gibt«. Als sein Osnabrücker Spieler Marcel Schuon vom Amtsgericht Bochum zu einer Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, forderte er eine härtere Bestrafung.
»Inzwischen frage ich mich, ob ich das nicht eher hätte erkennen müssen.«
Fußballwetten und Poker – für beide Spiele braucht es Fachwissen, aber auch Glück. Bei beiden kann man sehr schnell sehr viel Geld verlieren. Von beiden kann man süchtig werden. Wollitz aber sieht hier einen Unterschied. Er habe wohl mal mitgepokert, aber niemals mit seinen Spielern gewettet. »Ich wette mit einem Spieler um einen Tag trainingsfrei, dass er die Latte trifft. Aber ich setze nicht selbst auf Fußballspiele.«
IN BESTER TRADITION
Gezockt wurde schon immer im bezahlten Fußball. Als der 1. FC Saarbrücken noch in der Fußball-Bundesliga spielte, lag die Spielbank Saarbrücken unmittelbar neben dem Trainingsplatz. Trainer war damals, in der Saison 1992/1993, Peter Neururer, und der arbeitete mit einer Mannschaft, die für diese Zeit ungewöhnlich bunt zusammen gesetzt war. Im Kader standen der heutige Bremer Co-Trainer Matthias Hönerbach und Stefan Beckenbauer, der exzentrische Außenrist-Experte Wolfram Wuttke, der Schottland-Rückkehrer Thomas Stickroth, der Ex-Hamburger Thomas Stratos und der Nordfriese Jürgen Lange, der zuvor in Belgien unter Vertrag gestanden war. Vorne stürmten Juri Sawitschew, ein Nationalspieler der Sowjetunion, und Eric Wynalda aus Kalifornien. Auch Henning Bürger spielte in Saarbrücken, ein Thüringer aus dem Vogtland, der seine Profikarriere in der Oberliga der DDR begonnen hatte.
»Drei Spieler sind jeden Tag ins Kasino gegangen und haben an Automaten Haus und Hof verspielt, mit Roulette, so viel ich weiß«, erinnert sich Henning Bürger, der nach seiner Karriere als Spieler Trainer wurde. »Dass die drei zockten, war bekannt, da hieß es dann auch mal: Müsst ihr schon nachmittags um drei ins Kasino reinwackeln? In der Mannschaft wurde über so etwas aber nur geflachst, niemand hat das ernsthaft besprochen oder gar problematisiert. Im Bus hatten die Jungs einen Roulettetisch aufgebaut, an dem sie an einer Strategie getüftelt haben. Die
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