René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
wollten mit System Geld verdienen. Es hat lange gedauert, bis denen mal deutlich gemacht wurde, dass das nicht gut ist, was sie da machen.«
Auch Peter Neururer erinnert sich an die Zeit in Saarbrücken, seiner Mannschaft gelang eine ordentliche Hinrunde. Dann spielte sie sechs Mal hintereinander Unentschieden, verlor schließlich die letzten neun Spiele am Stück und stieg ab. »Es waren nicht nur drei Spieler, die gezockt haben«, sagt Neururer. »Ich bin immer dann dazwischen gegangen, wenn sich junge Spieler an den Tisch der Älteren gesetzt haben, die bessere Verträge besaßen und mit entsprechendem Einsatz spielten. Da musste der Einsatz dann angepasst werden.« Verboten war das Zocken nur am Spieltag.
Der 1. FC Saarbrücken war laut Neururer keinesfalls eine Ausnahme. »Man hat früher eben gespielt und beim Wetten auch viel gesetzt, selbstverständlich niemals auf eine Niederlage der eigenen Mannschaft.« Als Neururer Trainer des FC Schalke 04 war, interessierte sich sogar mal die Staatsanwaltschaft für die Wetterei der Funktionäre. Ein privater Wettanbieter aus Duisburg hatte zuvor eine große Anzeige in der Stadionzeitschrift »Schalker Kreisel« geschaltet, so entstand der Kontakt. Der Präsident
Günther Eichberg, der Manager Heribert Bruchhagen, der Trainer Neururer, auch der Textilunternehmer Klaus Steilmann, Präsident des Nachbarklubs Wattenscheid 09 – sie alle tippten nun eifrig. »Wir haben auch auf unsere Spiele gesetzt, aber natürlich nur auf Sieg«, erinnert sich Heribert Bruchhagen. Die Bochumer Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und durchsuchte auch die Schalker Geschäftsstelle. Zu Verurteilungen kam es nicht. »Ich hab 2 000 Mark ans Rote Kreuz bezahlt«, sagt Bruchhagen. »Der Steilmann hat gar nichts gezahlt.«
Matthias Lust, im Frühjahr 2011 Co-Trainer beim Drittligisten Unterhaching und Assistent Klaus Augenthalers, war in der Saarbrücker Absteigermannschaft einer der Jüngsten. »Zocken war da ein Thema, man wurde auch schnell verleitet. Die Spielbank, dann Spielotheken, die auch nicht so weit entfernt lagen, einige konnten sich da nicht zurück halten.«
Henning Bürger verschlug es während seiner Karriere in sechs verschiedene Profivereine, »und überall haben drei, vier, fünf Spieler gewettet und gezockt. Die haben auch offen darüber geredet. In Frankfurt lag gegenüber von unserem Stammitaliener ein Wettbüro, da sind immer Eintracht-Spieler rein, für jeden sichtbar. Im Mannschaftsbus stand oft ein Pokertisch.«
Heute, so beobachtet es Matthias Lust als Trainer, ist die Verführung allerdings noch viel größer. »Im Bus hat bald jeder Spieler seinen iPad vor sich und ist online. Der eine hört Musik, der andere schaut einen Film, der dritte spielt eben eine Partie Internetpoker. Damals brauchte man immerhin noch Bares, heute geht alles per Kreditkarte. Das macht die Hemmschwelle, Geld zu setzen, geringer.«
Und so tragen auch Fußballprofis einen Teil zu dem jährlichen Verlust von insgesamt 378 Millionen US-Dollar bei,
den die rund 580 000 deutschen Online-Spieler bei ausländischen Pokerportalen anhäufen. »Alles deutet darauf hin, dass Onlinepoker zu den Spielen mit dem größten Suchtpotenzial gehört«, sagt der Wirtschaftsrechtler Ingo Fiedler von der Universität Hamburg, der gerade eine Langzeitstudie zum Thema vorgelegt hat.
Viele Fußballer, Trainer und Funktionäre, mit denen man über das Problem Spielsucht im Profifußball spricht, stellen eine Frage von selbst: Muss der Verein eingreifen, und wenn ja, wie weit darf er gehen? »Ich finde, der Klub hat auch eine Fürsorgepflicht, vielleicht sollte er Zocken bei Strafe verbieten, um gerade die jungen Spieler abzuschrecken«, sagt Henning Bürger. »Wenn einer spielsüchtig ist, fände ich es gut, wenn der Verein den Spieler bei einer Therapie unterstützt. Ohne dass er dann gleich seinen Job los ist. Von alleine macht keiner eine Therapie, allein schon weil er Angst davor hat, aus der Mannschaft zu rutschen und keine Prämie mehr zu kriegen. Weil er Angst davor hat, dass dann Schluss ist mit Profifußball. Das ist leider so im Fußball, dass man sich den Problemen nicht gemeinsam stellt.«
Ein allgemeines Zockverbot nähme den Fußballern einen Teil ihrer Selbstbestimmung. Es würde aber gleichzeitig auch die Bedeutung des Glücksspiels in ihrem Leben reduzieren. Stundenlange Busfahrten zu Auswärtsspielen und zurück, Mittagspausen, Abende und Nächte im Hotel – zum einen birgt der
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