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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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benutzt sie sicherlich nur, um zu entkommen.«
    Ich kann Mutter zwar
nicht sehen, bin mir aber sicher, dass sie gerade nachdenklich die Lippen
spitzt und abwägt, wie sie darauf reagieren soll.
    Â»Mir ist durchaus
bewusst, was er im Schilde führt«, sagt sie schließlich. Ich schiebe mich noch
dichter an die Tür heran. Dann weiß Mutter also, dass alles nur eine List ist.
Damit habe ich schon gerechnet, frage mich nun aber, was sie dagegen
unternehmen wird.
    Â»Natürlich würde ich
niemals an der Weisheit deiner Entscheidungen zweifeln, Mutter, aber ich
verstehe einfach nicht, warum du ihre Verpaarung dann zulässt«, erwidert der
Wachmann nach einer Weile.
    Â»Meine Beweggründe
gehen dich nichts an. Sei versichert, er hat mich nicht hinters Licht geführt.
Er wird trotzdem sterben, noch heute Nacht.«
    Ich hole erschrocken
Luft, mache aber kein Geräusch dabei. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper
spannt sich an.
    Â»Jawohl, Mylady.«
Der Wachmann klingt unheimlich zufrieden, und mich überkommt der überraschende
Drang, ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
    Am Rande meines
Gesichtsfelds bildet sich rötlicher Nebel, doch ansonsten sehe ich plötzlich
extrem scharf. Die Geräusche aus der Bibliothek sind nun so deutlich, als würde
ich mitten im Raum stehen: das beständige Ticken von Mutters Lieblingsuhr, das
Flüstern von Leinen auf Leder, ihr Atem, sogar ihr Herzschlag – Mutters langsam
und ruhig, der des Wachmanns schnell und ungleichmäßig. Der Geruch von seinem
Aftershave und Mutters Parfum brennt in meiner Nase, doch ich traue mich nicht,
mich zu bewegen. Ich will nichts verpassen. Jede winzige Information, an die
ich jetzt gelangen kann, wird mir später einen Vorteil verschaffen.
    Â»Hervorragend«, sagt
Mutter. »Und als Belohnung für deine Dienste werde ich mich an mein Versprechen
halten: Du bekommst Evelyn.«
    Am liebsten wäre ich
hineingestürmt und hätte ihr verkündet, dass ich nicht ihr Eigentum bin. Dass
ich keine Ware bin, die man eintauscht, um dafür einen Oberflächenbewohner
ermorden zu lassen. Meinen Oberflächenbewohner!
    Â»Vielen Dank,
Mylady.«
    Die folgenden
Geräusche deuten darauf hin, dass der Wachmann Mutters Hand ergriffen hat und
sie nun küsst. Ganz wie man es von ihm erwartet. Dann verrät das Knarren der
Sessel, dass die beiden aufstehen – und so schnell und lautlos wie möglich
husche ich zurück in mein Schlafzimmer. So wie es aussieht, muss ich meinen
Plan noch einmal ändern. Die Flucht wird heute Nacht stattfinden müssen, ob ich
bereit bin oder nicht.

Freudenfest!
Der eine Tag im Jahr, an dem wir ausgelassen feiern, was Mutter für uns getan
hat.
    Da
natürlich niemand den Spaß und die
Aufregung versäumen möchte, ist
die Teilnahme für alle Bürger verpflichtend.
    Freudenfestflyer
–
    Ohne auf
die hämmernden Kopfschmerzen zu achten, die plötzlich in meinem Schädel toben,
durchwühle ich mein Quartier und packe alles, was Gavin und mir eventuell
nützlich sein könnte, in den Evakuierungsrucksack, den Mutter mir schon vor
langer Zeit gegeben hat. Da sie das Set selbst zusammengestellt hat, enthält es
viele praktische Dinge. Eigentlich ist es für Notfälle gedacht, wie etwa eine
Invasion der Oberflächenbewohner, ein großes Leck oder andere Vorkommnisse, die
es notwendig machen, sofort zu fliehen. Doch ich kann mir gerade keinen
dramatischeren Notfall vorstellen als diesen hier.
    Hastig ziehe ich ein
Kleid über mein »Outfit« und packe zusätzlich Sachen zum Wechseln in den
Evakuierungsrucksack. Sollten wir in Schwierigkeiten geraten, bin ich in dieser
Aufmachung sicher keine große Hilfe. Dann ziehe ich die hohen Stiefel aus, um
mich besser aus dem Palast schleichen zu können, und schiebe mir den Rucksack
auf den Rücken.
    Als ich an der
Bibliothek vorbeilaufe, höre ich, dass Mutter sich noch immer mit dem Wachmann
unterhält. Ich blende ihre Stimmen aus. Mir fehlt die Zeit, sie weiter zu
belauschen, außerdem will ich nicht riskieren, dabei etwas aufzuschnappen, das
mich von meinem eilig gefassten Plan abhalten könnte. Die Kopfschmerzen
verschwinden nun ebenso schnell, wie sie gekommen sind, aber ich wundere mich
nicht länger darüber. Ich gehe einfach stur weiter, haste durch die Korridore,
möglichst immer im Schatten, und verlasse mich darauf, dass meine

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