Renegade
in mir scheint sich ein
Schalter umzulegen. Das habe ich schon lange nicht mehr gespürt ⦠und doch ist
es mir so vertraut wie mein eigener Herzschlag.
Nick knurrt, seine
Augen funkeln gefährlich, und als er sie ruckartig verdreht, sieht er richtig
irre aus. Gavin zerrt mich hinter sich und will mich Richtung Wohnungstür
schieben, aber das lasse ich mir nicht bieten. Nicht von einem
Oberflächenbewohner. Wie kann er es wagen , mich
herumzukommandieren? Doch zuerst muss ich mich um Nick kümmern. Nick hat das
Gesetz gebrochen. Dafür wird er bezahlen. Und ich werde diejenige sein, die
seine Schuld eintreibt.
Bevor ich noch einen
klaren Gedanken fassen kann, stoÃe ich Gavin so heftig beiseite, dass er
beinahe das Gleichgewicht verliert, stürze mich auf Nick und reiÃe ihn am
Eingang zur Küche von den FüÃen. Knurrend und zähneknirschend versucht er, mich
zu fassen zu kriegen, aber ich lasse ihm keine Chance. Geschickt schiebe ich
mich hinter ihn und packe seinen Kopf. Im nächsten Moment habe ich ihn bereits
mit einem Ruck herumgerissen.
Es klingt, als würde
ein Zweig brechen, dann hängt Nick reglos in meinen Armen. Angewidert lasse ich
ihn los, sodass sein Kopf schlaff herumrollt. Jetzt sieht er wieder aus wie der
harmlose Mann, der vorhin vor Macies Tür stand.
Als ich mich Gavin
zuwenden will, um auch dieser Pflicht nachzukommen, brechen plötzlich so viele
Erinnerungen über mich herein, dass ich hilflos auf die Knie falle. Sie laufen
so schnell vor meinem inneren Auge ab, dass ich mich kaum auf eine einzelne konzentrieren
kann, bevor sie von der nächsten verdrängt wird.
»Gratulation!
Evelyn wurde erwählt ⦠Ihre Konditionierung muss sofort beginnen, wir haben
keine Zeit zu verlieren.«
»Ein
weiterer Fehlschlag wird nicht geduldet. Du wirst tun, was man dir sagt. Hast
du das verstanden, Evelyn?«
Ein
alter Mann weigert sich, ehrfürchtig den Kopf zu senken, als Mutter an ihm
vorbeigeht. Lautlos positioniere ich mich hinter ihm, packe seinen Arm und
ziehe ihn mit mir in die Schatten. Er wehrt sich zwar, doch es gelingt mir
problemlos, ihm das Mittel zu spritzen, mit dem die Vollstreckerinnen die
Unwilligen ruhigstellen. Dann nehme ich seinen Kopf in beide Hände und reiÃe
ihn herum.
»Sehr
gut, Evelyn, bei den Nahkampftechniken hast du die volle Punktzahl erreicht.
Kommen wir nun zur Waffenkunde.«
Markerschütternde
Schreie und das Geräusch von Schüssen hallen in meinen Ohren wider, die
schlieÃlich in leises Schluchzen übergehen, als sich der Qualm verzieht und
Dutzende Männer, Frauen und Kinder enthüllt, die in ihrem eigenen Blut liegen.
Doch ich bin erleichtert, dass es mir gelungen ist, meinen echten Vater zu
schützen. Er ist in dem ganzen Chaos entkommen. Hoffentlich zusammen mit meiner
echten Mutter.
»Testobjekt
121, Vollstreckerin Evelyn Winters, wird einer weiteren Konditionierung
unterzogen, da sie bei den vorangegangenen Versuchen wiederholt
Abwehrreaktionen gezeigt hat.«
»Evelyn
Winters, dir wird vorgeworfen, in deiner höchsten Pflicht, Mutter zu schützen,
versagt zu haben, was den Tod einer Vollstreckerin zur Folge hatte. Mutter
befindet dich für schuldig und verurteilt dich zur totalen Gedächtnislöschung,
bis sie über dein endgültiges Schicksal entschieden hat.«
»Ich war eine
Vollstreckerin«, flüstere ich tonlos. Bittere Galle steigt in meine Kehle, und
ich muss würgen.
Dann sehe ich Macie,
wie sie reglos auf dem Boden liegt. Sofort stürze ich zu ihr, um ihr zu helfen,
aber Gavin ist schneller und hält mich fest. Als er mich ansieht, verrät sein
Gesicht mir, dass es zu spät ist.
»Nein, nein, nein«,
flehe ich mit brechender Stimme.
Ich sinke neben
Macie auf die Knie und ziehe ihren leblosen Oberkörper auf meinen SchoÃ. Ihr Gesicht lügt , denke ich. Es ist perfekt, wirkt so
lebendig, aber sie ist zerstört. Gavins Hände liegen auf Macies Arm. Sie
zittern, doch ich bringe es nicht über mich, ihn anzusehen.
O
nein. Nein, nein, nein, nein, nein! Ich habe Nick getötet. Weil er Macie getötet hat. Und ich
war kurz davor, auch Gavin zu töten. Denn genau das tun Vollstreckerinnen. Und
ich bin eine von ihnen. Eine ausgebildete Tötungsmaschine. Ich habe den
Zukünftigen meiner besten Freundin getötet.
Zum Glück ist dieser
Impuls, der mich dazu gebracht hat, Nick zu töten, verflogen und hat
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