Renegade
StraÃe
entlang. Wachsam sieht er sich immer wieder um. Es überrascht mich zwar, dass
wir seit meinem Angriff auf die Passanten niemandem mehr begegnet sind, aber darüber
werde ich mich sicher nicht beklagen. Ich will niemanden mehr verletzen. Gütige
Mutter ⦠fast hätte ich die drei getötet, dabei hatten sie doch nur das Pech,
uns über den Weg zu laufen.
Endlich erreichen
wir eine Mauer, die mir sogar in meinem Dämmerzustand bekannt vorkommt. Doch
erst als Gavin an einem der Steine herumdrückt und sich die Wand öffnet, wird
mir klar, dass wir wieder in Sektor Eins angekommen sind. Er schlieÃt den
Zugang hinter uns, bleibt aber nicht stehen. Stattdessen folgt er der Spur, die
wir erst vor wenigen Stunden hier hinterlassen haben, und schiebt mich
schlieÃlich in das versteckte Labor.
Während er erneut
unsere Spuren beseitigt, krieche ich in eine Ecke, rolle mich zusammen und
breche in Tränen aus. Und dann ist Gavin an meiner Seite und zieht mich auf
seinen SchoÃ, ganz ähnlich wie ich zuvor Macie an mich gezogen habe. Mein
erster Impuls ist, ihn abzuwehren â wie kann er mich noch anrühren wollen, nach
allem, was ich getan habe? Wo er nun doch weiÃ, was ich wirklich bin? Aber er
hält mich nur umso fester, bis ich nachgebe und mich an seiner Brust ausweine.
Tränen sind nutzlos, das weià ich. Aber ich kann einfach nicht anders. Alles,
was ich über mich zu wissen geglaubt habe, ist falsch. Ich bin ein Monster.
Es hilft mir sehr,
dass Gavin in diesem Moment nichts sagt, keine dieser sinnlosen Phrasen von
sich gibt, auf die die Menschen immer zurückgreifen, wenn sie nicht wissen, was
sie sagen sollen. Er hält mich einfach nur fest und lässt mich weinen.
Irgendwann versiegen die Tränen, aber ich klammere mich weiter an ihn. Trotz
der Erschöpfung, trotz der quälenden Schmerzen in meinem Arm kann ich ihn
einfach nicht loslassen.
Es ist sehr still
hier, nur hin und wieder zischt die Luftumwälzungsanlage. Doch dann höre ich
drauÃen Stimmen. Ich hätte wissen müssen, dass unsere Flucht viel zu leicht
vonstatten gegangen ist. Warnend lege ich einen Finger an die Lippen. Gavin ist
zunächst verwirrt, reiÃt dann aber verstehend die Augen auf, als er die Stimmen
ebenfalls hört.
»Bist du sicher,
dass sie in diesen Sektor eingedrungen sind?«, fragt eine weibliche Stimme. Ihr
Klang löst eine weitere Flut von Erinnerungen in mir aus, und plötzlich weiÃ
ich: Sie ist eine Elite-Vollstreckerin, eine der Besten. SchlieÃlich wurden wir
gemeinsam ausgebildet; sie war früher eine meiner Freundinnen. Entsetzt starre
ich Gavin an. Was habe ich nur getan? Ich habe all diese Wachen getötet ⦠und
nun ist eine EV hinter uns her. Wir werden niemals
entkommen.
»Na ja«, antwortet
ein Mann, »die Zeugen sagen, sie wären in diese Richtung gelaufen. Und weil sie
vorher schon einmal hier waren, ist es doch wahrscheinlich, dass sie erneut in
diesem Sektor Unterschlupf gesucht haben.«
»Die Leute sehen
eine Menge Dinge. Ich hingegen sehe gar nichts«,
erwidert die Vollstreckerin. »Diese Spuren können genauso gut von ihrem vorigen
Besuch stammen. AuÃerdem ist keinerlei Blut zu sehen, und wenn sie â wie du
behauptest â voller Blut war, müsste es hier irgendwo Spuren davon geben.«
»Wo sind sie denn
deiner Meinung nach hin?«
»Wahrscheinlich in
die Tunnel. Inzwischen könnten sie überall sein. Schick deine Männer los.«
»Und was ist mit
dir?«
»Ich werde beweisen,
dass du falschliegst.«
Stille, dann hört
man schwere Schritte auf dem Beton, und der Mann murmelt: »Miststück.« Das hat
sie sicherlich gehört, doch sie reagiert nicht darauf.
Für meinen Geschmack
ist es da drauÃen jetzt viel zu still. Plötzlich summt die Vollstreckerin
leise: »Kommt raus, kommt raus, wo auch immer ihr seid.«
Wieder Stille. Ich
wage kaum zu atmen, aus Angst, sie könnte es hören.
»Jetzt, wo du weiÃt,
was du bist, wo wirst du dich verstecken? Der Oberflächenbewohner weià es nun
auch â glaubst du wirklich, er will dich noch an seiner Seite haben?«
Ein Moment Stille,
dann ein leises Schaben und Schritte, die sich entfernen. Noch lange nachdem
wir das Quietschen des Mauerzugangs gehört haben, sind wir starr vor Angst.
Dann verlassen wir vorsichtig unser Versteck und schleichen uns wieder zu der
Wohnung, die
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