Replay - Das zweite Spiel
Doktor. »Ich wünschte, alle meine Patienten würden so gut auf sich achten.«
Jeff plauderte noch ein paar Minuten mit ihm, aber mit den Gedanken war er woanders. Bei seinem genau gleichaltrigen Selbst, um die gleiche Zeit, doch vor mehr als zwanzig Jahren. Bei dem ständig sitzenden, überlasteten und leicht übergewichtigen leitenden Angestellten, der er einmal gewesen war, der seine Brust umklammert hatte und mit dem Gesicht auf den Schreibtisch geschlagen war, während die Welt verblasste.
Diesmal soll es dazu nicht kommen. Diesmal ging es ihm glänzend.
Jeff bevorzugte das gemütliche Hinterzimmer im La Grenouille, doch Diane betrachtete jeden Lunch als eine Gelegenheit, bei der das Sehen und Gesehenwerden an erster Stelle standen. Deshalb speisten sie immer im vorderen Raum, auch wenn es dort stets überfüllt und laut war.
Jeff genoss den pochierten Lachs mit Estragon, Basilikum und milder Essigsauce und tat sein Bestes, sowohl Dianes augenblickliches Schmollen wie auch die Unterhaltungen an den anderen Tischen zu ignorieren, die von beiden Seiten auf sie eindrangen. Ein Pärchen sprach von Heirat, das andere von Scheidung. Jeffs und Dianes Tischgespräch lag irgendwo in der Mitte.
»Du willst doch, dass sie ins Sarah Lawrence aufgenommen wird, oder?«, fauchte Diane zwischen zwei Bissen Kammmuscheln mit Lorbeer ä la nage.
»Sie ist dreizehn Jahre alt«, seufzte Jeff. »Dem Aufnahmebüro im Sarah Lawrence ist es scheißegal, was sie in diesem Alter tut.«
»Ich bin auf die Concord Academy gekommen, als ich elf war.«
»Und zwar deshalb, weil es deinen Eltern scheißegal war, was du in diesem Alter gemacht hast.«
Sie legte die Gabel weg und funkelte ihn an. »Meine Erziehung geht dich nichts an.«
»Aber Gretchens.«
»Dann solltest du wollen, dass sie die bestmögliche Erziehung bekommt, von Anfang an.«
Ein Ober räumte die leeren Teller ab, während ein anderer sich mit dem Dessertwagen näherte. Jeff nutzte die Unterbrechung, um sich in den vielfachen Reflexionen der zahlreichen Spiegel des Restaurants zu verlieren, in den tannengrünen Wänden, den karmesinroten Polsterbänken, den prächtigen Blumensträußen, die aussahen, als wären sie in einer Landschaft von Cezanne gepflückt worden.
Er wusste, dass sich Diane weniger um Gretchens Erziehung Sorgen machte als vielmehr um ihre eigene Befreiung von der Last der täglichen Verantwortung. Jeff sah in seiner Tochter in erster Linie ein junges Mädchen und fand die Vorstellung, dass sie zweihundert Meilen von zu Hause lebte, unerträglich.
Diane stocherte mürrisch in den Himbeeren mit Grand-Marnier-Sauce. »Ich nehme an, du hältst es für richtig, dass sie sich weiter mit diesen kleinen Bälgern abgibt, die sie andauernd von der Schule mit nach Hause schleppt.«
»Mein Gott, ihre Schule liegt in Rhinebeck, nicht in der South Bronx. Sie wächst in einer wundervollen Umgebung auf.«
»Was auch für Concord gilt. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß.«
Jeff stach mit der Gabel tief in seinen Pfirsich ä la Charlotte, unfähig auszudrücken, was er wirklich dachte - nämlich dass er nicht die Absicht habe, Gretchen zu einem Ebenbild ihrer Mutter heranwachsen zu lassen. Die schneidende Blasiertheit, diese Die-Welt-kann-mich-mal-Haltung, großer Reichtum als Geburtsrecht, etwas, das für selbstverständlich genommen wurde und auf das man sich vollkommen verließ. Jeff hatte seine eigenen Reichtümer aufgrund eines übernatürlichen Glücksfalls und durch Willenskraft erworben, und er wollte seine Tochter nicht nur vor dem potenziell korrumpierenden Einfluss des Geldes schützen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass sie in den Genuss seiner Wohltaten kam.
»Wir reden ein anderes Mal darüber«, sagte er zu Diane.
»Wir müssen der Schule bis nächsten Dienstag Bescheid geben.«
»Dann werden wir Mittwoch darüber sprechen.«
Sie zog einen Flunsch, den sie, wie er wusste, erst wieder durch konzentriertes, beinahe wütendes Geldausgeben bei Bergdorfs und Saks ablegen würde.
Er holte zwei folienverpackte Tabletten Gelusil aus seiner Sakkotasche. Sein Herz mochte in exzellenter Verfassung sein, doch dieses Leben, das er sich selbst geschaffen hatte, spielte seiner Verdauung übel mit.
Gretchens schlanke junge Finger bewegten sich anmutig über die Tasten, spielten die ergreifende Melodie von Beethovens ›Für Elise‹. Der fette orangefarbene Kater namens Chumley schlief neben ihr auf dem Klavierhocker, inzwischen zu alt, um so
Weitere Kostenlose Bücher