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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Grimwood
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Ellbogen und beschattete die Augen mit einer Hand vor der Sonne. Judy war auf der Decke neben ihm eingeschlafen, die Finger immer noch um ein Exemplar von ›Der Weiße Hai‹ gekrümmt. Zärtlich küsste er ihren halb offenen Mund.
    »Magst du etwas Pina Colada?«, fragte er, als sie sich erwachend streckte. »Wir haben noch eine halbe Thermosflasche übrig.«
    »Hmm. Möchte hier einfach nur so liegen bleiben. Ungefähr zwanzig Jahre lang.«
    »Dann solltest du dich aber besser alle sechs Monate umdrehen.«
    Sie verdrehte den Kopf, um sich ihr rechtes Schulterblatt anzusehen, und stellte fest, dass es gerötet war. Sie wälzte sich auf den Rücken, nahe zu ihm, und wieder küsste er sie, länger diesmal und intensiver.
    Ein paar Meter den Strand hinunter hatte ein anderes Pärchen ein Radio laufen, und Jeff unterbrach den Kuss, als die Musik endete und ein Sprecher mit jamaikanischem Akzent eine Meldung über John Deans Zeugenaussage bei den Watergate-Anhörungen zu verlesen begann.
    »Ich liebe dich«, sagte Judy.
    »Ich dich auch«, erwiderte er und berührte ihre sonnenverbrannte Nasenspitze. Und das tat er wirklich, Gott wusste, wie sehr.
    Jeff gönnte sich, im Einklang mit seinem Vorsatz, regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten, sechs Wochen Urlaub im Jahr. Die absichtlich auferlegte Beschränkung ließ ihn diese Zeit umso mehr genießen. Im Jahr zuvor waren sie durch Schottland geradelt, und diesen Sommer planten sie, mit dem Heißluftballon eine Reise durch die Weingegenden von Frankreich zu unternehmen. In diesem Moment jedoch hätte er keinen anderen Ort gewusst, an dem er lieber gewesen wäre als in Ocho Rios, zusammen mit der Frau, die gesunden Menschenverstand und Freude in sein aus den Fugen geratenes Leben gebracht hatte.
    »Hey, Mann, Halskette für die hübsche Missy? Schöne Cochina-Halskette?«
    Der kleine jamaikanische Junge war nicht älter als acht oder neun. Seine Arme waren mit Dutzenden von bezaubernden Muschelketten und Armbändern behängt, und ein an seiner Hüfte befestigter Stoffbeutel war voller Ohrringe, die aus den gleichen farbenprächtigen Muscheln gemacht waren.
    »Wie viel für … die hier?«
    »Acht Shilling.«
    »Sagen wir ein Pfund sechs Shilling, und ich nehm sie.«
    Der Junge hob verwirrt die Brauen. »Hey, Sie verrückt, Mann? Sie sollten runtergehen, nich höher.«
    »Dann zwei Pfund.«
    »Will mich nich mit Ihnen streiten.« Der Junge streifte eilig die Halskette vom Arm und reichte sie Judy. »Wenn Sie noch mehr kaufen woll’n, ich hab Masse davon. Jeder am Strand kennt mich, ich heiß Renard, okay?«
    »Okay, Renard. Hat mich gefreut, mit dir zu handeln.« Jeff reichte ihm zwei Einpfundnoten, und der Junge hüpfte grinsend über den Strand davon.
    Judy streifte sich die Halskette über, dann schüttelte sie mit gespielter Missbilligung den Kopf. »Schäm dich«, sagte sie, »ein Kind so übers Ohr zu hauen.«
    »Hätte schlimmer kommen können.« Jeff lächelte. »Noch eine Minute oder so, und ich hätte ihn womöglich auf vier oder fünf Pfund hochgehandelt.«
    Sie sah an sich hinunter, um die Halskette neu zu ordnen, und als sich ihre Blicke wieder trafen, lag Traurigkeit in ihren Augen. »Du bist so gut zu Kindern«, sagte sie. »Das ist das Einzige, was ich bedauere, dass wir niemals …«
    Jeff legte ihr die Finger auf die Lippen. »Du bist mein kleines Mädchen. Alles, was ich brauche.«
    Von der Vasektomie, die er 1966 hatte vornehmen lassen, bald nachdem sie angefangen hatten, miteinander zu schlafen, durfte er ihr nichts sagen. Nie wieder würde er einem Kind das Leben schenken wie damals Gretchen, deren Existenz vollkommen ausgelöscht worden war. Für alle außer Jeff lebte sie nicht einmal mehr in der Erinnerung - und aufgrund der undenkbaren Möglichkeit, dass er dazu verdammt sein könnte, sein Leben noch einmal zu wiederholen, weigerte er sich, in dieser bodenlosen Hölle jemanden zurückzulassen, den er nicht nur liebte, sondern sogar gezeugt hatte.
    »Jeff… ich hab nachgedacht.«
    Er sah wieder Judy an, bemüht, den Schmerz und das Schuldgefühl nicht zu zeigen. »Worüber?«
    »Wir könnten - antworte nicht gleich, lass dir Zeit, darüber nachzudenken - wir könnten ein Kind adoptieren.«
    Mehrere Sekunden lang sagte er nichts, sah sie einfach nur an. Sah die Liebe in ihrem Gesicht, sah das Bedürfnis nach einem weiteren Betätigungsfeld, auf dem sie dieser Liebe Ausdruck verleihen könnte.
    Es würde anders sein als mit eigenen Kindern, dachte er.

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