Replay - Das zweite Spiel
durch Frankreich und Italien mitnehmen; und für das nächste Jahr plante er eine Reise nach Japan und in die neuerdings zugängliche Weite Chinas.
Jeff wollte, dass sie alles sahen, dass sie die ganze Herrlichkeit und alle Wunder kennen lernten, die die Welt zu bieten hatte. Trotzdem hatte er insgeheim Angst, all diese Erinnerungen könnten zusammen mit der Liebe, die er ihnen geschenkt hatte, schon bald durch eine Macht zunichte gemacht werden, die er nicht besser zu verstehen vermochte als sie.
Nach drei Tagen hatte seine Brust dort, wo die Elektroden festgeklebt waren, ziemlich unangenehm zu jucken begonnen, dennoch wollte er das EKG nicht abnehmen lassen, nicht eine Minute lang.
Die Krankenschwestern waren ihm gegenüber voller Verachtung - Jeff wusste das. Sie lachten über ihn, wenn sie ihn außer Hörweite wähnten, ärgerten sich darüber, einen kerngesunden Hypochonder versorgen zu müssen, der ein wertvolles Krankenbett in Anspruch nahm.
Sein Arzt empfand mehr oder weniger ähnlich wie sie und hatte dies auch offen gesagt. Jeff hatte gefordert, war heftig geworden. Und nachdem er den Krankenhausfonds eine beträchtliche Schenkung gemacht hatte, war er schließlich für eine Woche aufgenommen worden.
Die dritte Oktoberwoche 1988. Wenn es geschehen würde, dann in dieser Zeit.
»Hallo, Schatz, wie fühlst du dich?« Judy trug ein rostfarbenes Herbstkleid, ihr Haar war locker auf ihrem Kopf aufgetürmt.
»Es juckt. Davon abgesehen, gut.«
Sie lächelte mit einer Durchtriebenheit, die für ihr immer noch unschuldiges Gesicht untypisch war. »An einer Stelle, wo ich kratzen kann?«
Jeff lachte. »Wär gar nicht schlecht. Ich glaube aber, wir werden noch ein paar Tage warten müssen, bis die Drähte abgenommen werden.«
»Also gut«, sagte sie, zwei Einkaufstüten hochhaltend, die eine vom Oxford-Buchladen und die andere von Turtle Records. »Hier hast du etwas, um dich ein wenig abzulenken.«
Sie hatte ihm die neuesten Kriminalromane von Travis McGee und Dick Francis mitgebracht (eine Vorliebe, die er diesmal entwickelt hatte), außerdem eine neue Biographie von André Malraux und eine Geschichte der Cunard-Schifffahrtslinie. In Anbetracht all dessen, was sie nicht über ihn wusste, hatte Judy großes Verständnis für die eklektische Natur seiner Interessen. In der anderen Tüte waren ein Dutzend CD’s, angefangen von Bach und Vivaldi bis zur Digitalaufnahme von ›Sergeant Pepper‹. Sie schob eine der glänzenden Scheiben in den tragbaren CD-Player auf dem Nachttisch, dann erfüllten die erlesenen Klänge von Pachelbels Kanon in D-Dur das Krankenzimmer.
»Judy …« Seine Stimme brach, er räusperte sich und setzte noch einmal an. »Ich möchte nur, dass du weißt… wie sehr ich dich liebe.«
Ihre Stimme klang gefasst, doch die Angst war ihr deutlich anzusehen. »Wir werden uns immer lieben, hoffe ich. Noch lange, lange Zeit.«
»So lange wie möglich.«
Judy runzelte die Stirn, setzte zu einer Bemerkung an, er aber bedeutete ihr zu schweigen. Sie lehnte sich übers Bett, um ihn zu küssen, und ihre Hand zitterte, als sie die seine fand.
»Komm bald nach Hause«, flüsterte sie dicht an seinem Gesicht. »Wir haben doch gerade erst angefangen.«
Es geschah eine knappe Stunde, nachdem Judy das Zimmer verlassen hatte, um in der Krankenhauscafeteria zu Mittag zu essen. Jeff war froh, dass sie nicht da war, es nicht mitbekam.
Trotz seiner Schmerzen sah er die Überraschung im Gesicht der Krankenschwester, als das EKG Amok lief. Sie verhielt sich jedoch vollkommen professionell und zögerte keinen Moment, den Notalarm auszulösen. Innerhalb von Sekunden war Jeff von Ärzten umringt, die Anweisungen und Statusmeldungen riefen, während sie sich an ihm zu schaffen machten.
»Epi, ein Milliliter!«
»Bikarbonat zwei Ampullen? Drei-sechzig Watt!«
»Achtung…« WHOMM!
»Tachykardie! Blutdruck achtzig, tastbar. Zweihundert Wattsekunden, Lidokain fünfundsiebzig Milligramm, gleichbleibend!«
»Schau mal - Kammerflimmern.«
»Noch mal Epi und Bikarbonat, defibrillieren mit dreisechzig. Achtung…« WOMM!
Und so fort, während ihre Stimmen zusammen mit dem Licht verblassten. Jeff wollte schreien vor Wut, denn es war ungerecht - diesmal war er in jeder Hinsicht vorbereitet gewesen. Doch er konnte nicht schreien. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als erneut zu sterben.
Und gleich wieder aufzuwachen. Auf dem Rücksitz von Martin Baileys Corvair, mit Judy an seiner Seite. Judy war achtzehn, die
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