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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Grimwood
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du mit mir sprechen willst?«
    »Ich mag dich einfach, Pamela. Das ist alles. Macht es dir was aus, wenn ich dich so nenne?«
    »Alle nennen mich Pam. Und abgesehen davon sollte ich nicht mit dir sprechen. Ich lege jetzt besser auf.«
    »Pamela…«
    »Was?«
    »Hast du den Brief noch, den ich dir geschickt habe?«
    »Ich hab ihn weggeworfen. Wenn mein Dad ihn gefunden hätte, dann hätte er Zustände bekommen.«
    »Das macht nichts. Ich bin nicht mehr in Florida, ich lebe jetzt in Boston. Ich weiß, du willst dir meine Nummer nicht aufschreiben, aber ich bin bei der Auskunft registriert. Wenn dir je danach sein sollte, mit mir Kontakt aufzunehmen…«
    »Wie kommst du darauf, dass ich das würde tun wollen? Mann, du bist wirklich seltsam.«
    »Ich glaub auch. Aber vergiss nicht, du kannst mich jederzeit anrufen, bei Tag und bei Nacht.«
    »Ich lege jetzt auf. Ich glaube, du solltest mich nicht mehr anrufen.«
    »Werd ich nicht. Aber ich hoffe, bald von dir zu hören.«
    »Bye.« Sie klang nachdenklich, als hätte dieser hartnäckige junge Mann mit seinen seltsamen Fragen ihre Neugier geweckt. Aber Neugier bedeutete nichts, dachte Jeff traurig, als er ihr auf Wiedersehen sagte - er blieb für sie ein Fremder.
    Der Angestellte im Harvard-Coop tippte den Preis in die Kasse ein, dann reichte er Jeff das Wechselgeld und das Candy-Exemplar, das er gerade gekauft hatte. Draußen wimmelte der Platz von Studenten, die sich auf den Beginn des neuen Schuljahres vorbereiteten. Ein absichtsvoll schmuddeliger Haufen, bemerkte Jeff, und als er zum Universitätskino hinüberblickte, in dem gerade A Hard Day’s Night lief, sah er einen bärtigen jungen Mann diskret Fünf-Dollar-Streichholzdöschen mit Marihuana verkaufen. Es war bereits anderthalb Jahre her, dass Leary und Alpert von Harvard entlassen worden waren und auf der anderen Flussseite am Emerson Place ihre kurzlebige internationale Vereinigung für inneren Frieden‹ gegründet hatten. Die 60er, wie man sich an sie erinnern würde, hatten Cambridge anscheinend früher erreicht als Emory. Dennoch war der Epochenwechsel noch nicht ganz vollendet - nur ein einsamer Protestler stand auf dem Harvard Square und verteilte ruhig Flugblätter, die Amerikas Präsenz in Vietnam beklagten. An dem Tisch, der neben dem Zeitungskiosk aufgestellt war, boten ein paar Studenten Buttons mit der Aufschrift ›Stoppt Goldwater‹ und ›L. B. J. 64‹ an. Ihre Desillusionierung würde nicht lange auf sich warten lassen.
    Jeff ging die Stufen des MTA-Bahnhofs hinunter und stieg in einen der straßenbahnähnlichen U-Bahn-Wagen. Hinter Kenmore Square gelangte die Bahn an die Oberfläche und überquerte den Charles auf der Longfellow Bridge. Zur Rechten sah Jeff Arbeiter auf Gerüsten, die letzte Hand an das neue Prudential Center legten; der John Hancock Tower mit seinen hässlichen vorspringenden Fenstern lag noch weit in der Zukunft.
    Was würde er jetzt mit dieser Zukunft anfangen, fragte er sich, mit den langen und leeren Jahren, die vor ihm lagen? Es war über ein Jahr her, dass er die vierte Wiederholung seines Lebens begonnen hatte, und sein ganzer Optimismus, mit dem er diesem Replay an der Seite eines Menschen entgegengesehen hatte, den er von ganzem Herzen liebte und dessen Erfahrung und Wissen dem seinen entsprachen, hatte sich verflüchtigt. Pamela blieb ein Kind, das nichts davon wusste, wer und was sie, sie beide, früher einmal gewesen waren.
    Vielleicht waren einige ihrer Ansichten über die östliche Religion richtig gewesen, in einer für sie beide unbegreiflichen Weise. Vielleicht hatte sie in ihrem letzten Leben vollständige Erleuchtung erlangt, und ihre Seele oder ihr Wesen oder was auch immer war fortgegangen, um eine Art von Nirwana aufzusuchen. Was bedeutete dies dann für das unschuldige junge Mädchen, das jetzt in Westport lebte? War diese Person nur eine körperliche Hülle ohne jeden Geist, ein Abklatsch der wirklichen Pamela Phillips, der sich ohne Sinn und Zweck durchs Leben bewegte? Vielleicht konnte ihr oder sein Zweck mit dem einer animierten Puppe in einem Film verglichen werden, dem eines seelenlosen Roboters. Die unbegreifliche äußere Macht, die diese Wiederholungen in Gang gesetzt hatte, könnte die falsche Pamela einzig und allein dazu benutzen, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass die Welt mit einem intakten Milliardenpersonal ihren normalen, ursprünglichen Mustern folgte.
    Doch zu wessen Nutzen? Wer war das Publikum, das getäuscht werden sollte?

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