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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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die alles Leben im Umkreis von fünfzig Metern auslöschen, und den Feuerball, der als krönender Abschluss zum Himmel stieg, während um ihn herum die Trümmer ins Wasser regneten. All das malte ich mir in den schönsten Farben und mit der dazugehörenden Geräuschkulisse aus, wie ich das schon in unzähligen Hollywood-Filmen gesehen hatte.
    Mokéles Reaktion war verblüffend. Das Ungeheuer stieß einen Schrei der Furcht und der Empörung aus und tauchte auf der Stelle wieder hinab in die Fluten. Die dabei entstehenden Wellen hoben mein Floß in die Luft und ließen es wie einen Korken auf und ab tanzen. Ich wurde herumgeschleudert und prallte mit meinem Kopf gegen die Eisenstange. Doch der Schmerz war nichts im Vergleich mit der Begeisterung, die mich erfüllte. Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich erwartet, dass mein Plan wirklich funktionieren würde. Das konnte kein Zufall gewesen sein. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war mir tatsächlich gelungen, einen Kontakt herzustellen.
    Ermutigt von diesem Erfolg beschloss ich weiterzumachen. Vielleicht gelang es mir auch noch, Mokéle dazu zu bewegen, die Tötungsvorrichtung unschädlich zu machen. Dazu musste ich aber erst die Schwachstelle des Systems ermitteln. Den Kongosaurier auf die Sprengkapseln anzusetzen, wäre sicher keine gute Idee gewesen. Abgesehen davon, dass ich dabei mit Sicherheit ein Opfer seiner fürchterlichen Zähne werden würde, bestand die Gefahr, dass die Ladungen sich selbst entzünden würden. Auch einen Angriff auf Maloney schloss ich aus. Nicht dass ich ihm den Tod nicht gegönnt hätte, aber die Gefahr, dass er im letzten Augenblick den Auslöser drücken würde, war zu groß. Blieb als letzte Möglichkeit das Kabel, das den Auslöser mit der Sprengladung verband.
    Das war es. Das war die Schwachstelle, nach der ich gesucht hatte. War die Stromzufuhr unterbrochen, gab es keine Möglichkeit mehr für Maloney, die Sprengladung hochzujagen. Es sei denn, er würde sie persönlich einleiten, doch so verrückt würde er nicht sein. Ich versuchte mir vorzustellen, wie das Kabel sich unter Wasser von meinem Floß bis hinüber zu Maloneys Schlauchboot schlängelte. Es war relativ dick, etwa vier Millimeter, und mit einer rot-blauen Isolierung vor dem Wasser geschützt. Ein solches Kabel musste selbst für ein Wesen von den Ausmaßen eines Buckelwals gut sichtbar sein.
    Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da hörte ich ein Blubbern und Zischen, nur wenige Meter vom Floß entfernt. Mokéle war wieder da, und diesmal schien ich seine gesamte Aufmerksamkeit zu genießen. Wie durch einen Spiegel sah ich, was er sah. Die Bilder seines eigenen Auges wurden auf mich zurückgeworfen. Die Regenwolken waren weitergewandert, die Nacht war hereingebrochen, und die Mondstrahlen durchschnitten den Himmel wie silberne Schwerter. All das war von atemberaubender Schönheit. Plötzlich konnte ich mich selbst erkennen, wie ich da auf dem Floß saß, mit überkreuzten Beinen, die Augen fest geschlossen, mein Gesicht von Schnitten verunstaltet. Schnitt. Der gewaltige Leib tauchte ab und durchsuchte das Wasser knapp unterhalb der Oberfläche. Ich beobachtete Algen und Luftblasen, die in der Strömung wie ein Ballett wogten. Und auf einmal sah ich das Kabel. Genau wie ich vermutet hatte, zog es sich in einer Tiefe von wenigen Zentimetern unterhalb der Wasseroberfläche dahin. Schnitt. Mokéle öffnete sein Maul und durchtrennte den Draht mit einem einzigen Biss. Ich hielt die Luft an in der Erwartung, dass Maloney diesen Fall vielleicht vorausgesehen und eine Sicherung eingebaut hatte, doch nichts geschah. Der Kongosaurier umkreiste das Floß noch ein-, zweimal, dann tauchte er direkt neben mir aus dem Wasser. Obwohl mir der penetrante Fischgeruch in die Nase stieg und ich das dumpfe Grollen der Kreatur hörte, empfand ich diesmal keine Angst. Ich spürte, dass Mokéle mir nichts Böses wollte, während sich sein Kopf über mich beugte und auf mich herabblickte. Eine Woge von Mitleid überflutete mich, als ich mein Gesicht hob und in meine eigenen blinden Augen starrte. Aber war das mein eigenes Mitleid oder das von Mokéle? Wir schienen auf eine überirdische Weise miteinander verschmolzen zu sein.
    In diesem Moment geschah etwas völlig Unerwartetes. Hätte ich es voraussehen können, ich wäre sicher vor Schreck und Ekel zurückgezuckt. Mokéle öffnete sein Maul und spie mir ins Gesicht. Genau wie ich es in meinem Albtraum in

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