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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Offensichtlich handelte es sich bei dem Horn um ein Organ zur Klangverstärkung, ähnlich wie bei den Hadrosauriern der späten Kreidezeit. Der seltsam anmutende Kopf verharrte noch eine Weile in dieser Position, dann erhob sich das Wesen. Offenbar hatte es sich vergewissert, dass keine Gefahr bestand, wobei ich mich insgeheim fragte, wovor ein solcher Titan Angst haben sollte. Meter um Meter erhob sich das Tier. Ich erkannte einen lang gestreckten Körper, krallenbewehrte Pfoten und eine glänzende, mit grünlichen Tupfen gesprenkelte Haut. Plötzlich tauchte neben ihm ein weiteres, kleineres Horn aus dem Wasser. Ein Jungtier. Ich war fassungslos. Was sich hier vor unseren Augen abspielte, musste selbst für einen Nichtbiologen im höchsten Grade erstaunlich sein. Mir aber kam es vor, als habe sich eine neue Welt aufgetan. Als wäre ich Alice im Wunderland, die tiefer und tiefer in den Kaninchenbau vordringt.
    »Was ist das , Mr. Astbury?«, flüsterte Sixpence neben mir. »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Weder gesehen noch davon gehört. Könnte sich um eine eigenständige Gattung handeln. In den Tiefen des Dschungels bestehen die besten Voraussetzungen, um sich über einen langen Zeitraum hinweg unentdeckt und in völliger Abgeschiedenheit zu entwickeln.«
    »Was für ein Monstrum. Sehen Sie sich bloß diese Krallen an.«
    In diesem Moment geschah etwas in dem Film, das ich nicht einzuordnen vermochte. Ein hohes Sirren oder Pfeifen gellte durch den Dschungel. Dann hörte ich Worte und Gesprächsfetzen.
    »Rückkoppelung«, zischte eine Stimme aus dem Lautsprecher. »Du bist mit deinem Kopfhörer zu nah dran. Ja, zu nah , sage ich. Schalt das verdammte Bandgerät ab«, fauchte die weibliche Stimme. » Idiot , du sollst das Gerät abschalten, hast du nicht gehört? Verdammt, es ist zu spät. Er hat uns bemerkt.« Tatsächlich blickten die Augen des riesigen Reptils jetzt genau in Richtung Kamera. Es sah aus, als könne es durch die Dunkelheit sehen. Es blähte die Nüstern und ließ seinen Kiefer auf- und zuschnappen und entblößte mehrere Reihen messerscharfer Zähne. Das Jungtier versuchte sich hinter dem mächtigen Rücken in Sicherheit zu bringen und gab ängstlich quietschende Laute von sich.
    »Er will uns angreifen!«, rief die Frau. »Gib mir das Gewehr, ich werde versuchen, ihn uns vom Leibe zu halten. Vielleicht kann ich ihn verscheuchen. Macht, dass ihr zum Lager zurückkommt.« Ich hörte einen dumpfen Schlag und ein Wimmern, dann war das scharfe Klicken einer Waffe zu vernehmen, die durchgeladen wurde. »Pack den Kram und renn zum Lager zurück, ich versuch das Biest in Schach zu halten.«
    Ein Schuss krachte. Das Jungtier wirbelte herum. Dann klatschte es leblos zurück ins Wasser. Ein entsetzlicher Schrei drang durch den Dschungel. Das große Biest schien jetzt erst richtig wütend zu werden. Ich hörte noch einen Fluch, dann wackelte das Bild und der Ton verstummte. Was ich dann während der nächsten Minuten sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Es sah so aus, als würde das Lager einem furchtbaren Angriff zum Opfer fallen. Auf einer der letzten Einstellungen waren die Fetzen eines Schlauchboots und der Teil eines gewaltigen, grün gefleckten Schwanzes zu sehen, dann brach die Aufnahme ab. Es wurde dunkel im Zimmer.

6
    Ein Feuerzeug flammte auf, dann sah ich das Glimmen einer Zigarette. Das Licht ging wieder an und blendete mich mit schmerzhafter Helligkeit.
    »Nun, was sagen Sie jetzt?« Lady Palmbridge nahm einen tiefen Zug und blies den Qualm in unsere Richtung. Ihre Hände zitterten. Keiner von uns Männern wusste eine Antwort. Wir schwiegen betreten und versuchten, das eben Gesehene zu verarbeiten. Keine leichte Aufgabe. Jeder Gedanke warf Fragen auf, die wiederum Fragen nach sich zogen – ein Kreislauf aus Unwissenheit und Spekulation setzte sich in Gang.
    »Wessen Stimme war das in dem Film«, fragte ich nach einer Weile. Obwohl ich ahnte, wer da gesprochen hatte, wollte ich mir Gewissheit verschaffen.
    »Das war meine Tochter.« Lady Palmbridge zog nervös an ihrer Zigarette. »Die Idee stammte von ihr. Genau genommen war die ganze Expedition ihr Projekt. Zwei Jahre ihres Lebens stecken darin. Zusammen mit ihren vier Helfern hat sie Übermenschliches geleistet. Sie war so nahe dran. So nahe …«
    Stewart Maloney, der bisher schweigsam und nachdenklich dagesessen hatte, beugte sich vor. »Was ist geschehen?«
    Lady Palmbridge drückte ihre

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