Reptilia
Er widmete sich dem Feuer, das bereits fröhlich prasselte und einen großen Topf mit Wasser erhitzte, der an einem Dreibein hing. Wir hatten uns für diesen Abend auf die Zubereitung eines kräftigen Eintopfes geeinigt, ehe wir am nächsten Tag unseren ersten Fisch grillen wollten. Maloney und Elieshi kamen zu uns herüber, als wäre nichts geschehen.
»Ist es nicht herrlich hier, Mr. Astbury«, empfing mich der Jäger gut gelaunt. »Das ist Afrika, wie ich es liebe. Wild und ungezügelt. Atmen Sie nur mal diesen Duft ein. Einen solch vitalen Geruch finden Sie nirgendwo sonst auf der Welt.« Er schob seinen breitkrempigen Hut in den Nacken und blickte in den Himmel. »Es sieht zwar so aus, als sollte es in einer knappen halben Stunde regnen, aber das braucht Sie nicht zu beunruhigen. Es geht nichts über ein knackiges tropisches Gewitter, und außerdem haben wir das Camp und das Flugzeug ja gut gesichert.«
»Was geschieht denn, wenn es trotzdem beschädigt wird?«, erkundigte sich Elieshi. »Haben Sie einen Notfallplan?«
»Selbstverständlich. Falls wir es nicht reparieren können, würde ein kurzer Anruf in Brazzaville genügen und man würde uns eine Ersatzmaschine schicken. Aber dann müssten wir den Piloten, der uns das Flugzeug bringt, in Impfondo abliefern. Das würde uns einen ganzen Tag kosten. Hoffen wir also, dass es nicht dazu kommt.«
»Und wenn das Satellitengerät versagt?«
»Dann hätten wir wirklich ein Problem.« Maloney griff in seine Weste und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Elieshi und Sixpence griffen zu, doch ich lehnte dankend ab. »Wenn das eintritt, sind wir auf uns selbst gestellt. Vor Ablauf eines Monats kommt hier mit Sicherheit niemand vorbei. Wir müssten versuchen, uns auf eigene Faust durchzuschlagen.« Er zündete die Zigaretten der Reihe nach an. »Aber das wird nicht einfach, das kann ich Ihnen sagen. Im Norden und Osten gibt es nur sumpfiges Waldland, da kommen wir nicht durch. Im Süden liegt zwar das Grasland, das wir von oben gesehen haben, aber da würde ich mich selbst mit einem Trupp erfahrener Jäger nicht hineintrauen. Zu unübersichtlich, zu viele Raubtiere. Bleibt also der Westen. Dort liegt ein Gewirr von Flüssen, durch den der Lac Télé in den Likouala aux Herbes entwässert. Mit unserem Schlauchboot müssten wir da gut durchkommen. Mit etwas Glück würden wir in ein bis zwei Tagen das Dorf Kinami erreichen.«
Ich stutzte. »Kinami?« Der Name klang vertraut. »Ist das nicht das Dorf, in dem Emilys Filmaufnahmen angetrieben wurden?«
»Ganz recht«, sagte Maloney, während er die Asche von seiner Zigarette wegschnippte. »Aber das ist ein Weg, den ich nur sehr ungern einschlagen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass man uns dort mit offenen Armen empfängt, ist gering.«
»Was ist dort eigentlich geschehen?«, fragte ich, denn ich sah darin eine unverhoffte Chance für einige klärende Worte. »Mir scheint, Sie wissen etwas darüber.«
Sein schmales Haifischlächeln blitzte auf. »Wenn Sie ausführliche Informationen darüber erhalten möchten, sollten Sie sich an Lady Palmbridge wenden. Alles, was ich darüber weiß, ist, dass der Preis, den die Bewohner des Dorfes für die Videoaufzeichnung verlangten, zu hoch war. Es kam zu einem Zusammenstoß zwischen ihnen und den von der Regierung ausgesandten Soldaten.«
»War das der Grund, warum Sie und Staatssekretär Assis sich im Restaurant so vertraulich zugezwinkert haben?«
»Der Regierung ist daran gelegen, dass die Sache nicht publik wird.«
»Was ist dort geschehen?«
Maloney zuckte nur mit den Schultern, aber ich glaubte, ein Flackern in seinen Augen zu bemerken.
Ich senkte die Stimme. »Es hat ein Massaker gegeben, nicht wahr? Das ist es doch, was Sie mir sagen wollen. Und das ist es auch, worüber Sie und Staatssekretär Assis Stillschweigen vereinbart haben.«
Er blieb die Antwort schuldig, aber sein Schweigen war deutlicher als tausend Worte. Urplötzlich erinnerte ich mich an den Abend vor meiner Abreise. Den Abend mit Sarah. Wie Recht sie doch gehabt hatte, als sie sagte, dass derlei Angelegenheiten in diesem Teil der Welt anders geregelt werden. Sie hatte mit allem Recht gehabt, von Anfang an.
»Mein Gott, die armen Menschen.« Ich fuhr mir mit der Hand über den Mund. »Und wie geht es jetzt weiter? Ich darf gar nicht daran denken, welchen Preis Lady Palmbridge für ihren Traum schon zu zahlen bereit war und wie hoch sie mit ihrem Einsatz noch gehen wird.« Ich sah zu Elieshi und
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