Reptilia
bemerkte, wie sie zwischen uns hin und her blickte, unsicher, was sie von dem Verlauf des Gespräches halten sollte.
»Ich verstehe die ganze Aufregung nicht«, sagte sie misstrauisch. »Warum waren denn diese Aufzeichnungen so wertvoll. Ich meine, wir reden hier doch nur von Zwergelefanten, oder?«
»Sagen Sie’s ihr.«
Maloney ließ die Zigarette fallen und trat sie aus. Als er den Kopf hob, trafen mich seine Augen mit einem Blick, der mich frösteln ließ. Hier war er auf einmal wieder, der andere Maloney, den ich nur einmal kurz im Hause der Palmbridges zu Gesicht bekommen hatte und der sich seitdem geschickt hinter einer Fassade aus Freundlichkeit verborgen hatte. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern.
»Sie hat ein Recht, es zu erfahren«, beharrte ich.
»Was zu erfahren? Wovon reden Sie?« Elieshis Stimme bekam einen nervösen Klang. Herausfordernd blickte sie von einem zum anderen. »Was sollen Sie mir sagen? Ich wünsche die ganze Wahrheit zu erfahren, jetzt und hier.«
»Mokéle m’Bembé«, sagte Sixpence lächelnd, während er weiter in der Glut herumstocherte. »Das ist es, wonach wir suchen.«
Ein kurzer Moment der Stille trat ein.
»Na klar«, kicherte Elieshi. »Warum nicht gleich das Ungeheuer von Loch Ness? Jungs, wenn ihr mich verarschen wollt, müsst ihr euch etwas Besseres einfallen lassen.« Sie spielte mit ihren Zöpfchen. »Wann habt ihr das ausgeheckt? Als wir noch in Brazzaville waren? Nach dem Vietnamesen, hm? Ich hasse es, euch enttäuschen zu müssen, aber ich werde nicht auf den Trick reinfallen, dafür bin ich schon viel zu lange mit Typen wie euch unterwegs. Netter Versuch, aber er ist leider schief gegangen. Ich finde, dass ihr mir einen Drink schuldet.«
Keiner von uns lachte. Niemand sagte etwas.
Elieshis Blick wurde unsicher, ihre Bewegungen bekamen etwas Nervöses, Flatteriges. Warum sie sich in diesem Augenblick an mich wandte, weiß ich nicht. Vielleicht strahlte ich von allen Anwesenden die größte Unschuld aus. »David, sagen Sie es mir. Das mit Mokéle m’Bembé ist doch Blödsinn, oder?«
Ich konnte nicht antworten. Etwas schnürte mir die Kehle zu. Ich konnte nur ihrem Blick ausweichen und betreten zu Boden starren.
Elieshis Lächeln war verschwunden. »Das gibt es doch nicht. Ihr habt mich vierhundert Kilometer tief in den Dschungel geschleppt, um diesem Hirngespinst hinterherzujagen?«
»Kein Hirngespinst«, sagte Maloney. »Wir alle haben es gesehen, einschließlich der Tochter unserer Auftraggeberin. Sie hat für dieses Wissen wahrscheinlich mit ihrem Leben bezahlt.«
Er sandte einen kurzen Blick in Richtung See. » Es lebt und ist wohlauf, und wir werden es fangen, ob mit oder ohne Ihre Hilfe.«
Lange Zeit herrschte Schweigen. Elieshi musste die Neuigkeit erst verdauen. Schließlich schien sie sich zu einem Urteil durchgerungen zu haben. Sie hob den Kopf, und ich sah den Zorn in ihren Augen. »Ich will zurück«, sagte sie. »Gleich morgen.« Sie stand auf, spuckte auf den Boden und entfernte sich mit langsamen Schritten Richtung Ufer.
Nachdem sie hinter einer Staude mannshohem Elefantengras verschwunden war, drehte sich Maloney zu mir um. Langsam, wie in Zeitlupe. Sein Blick verhieß nichts Gutes.
19
Samstag, 13. Februar
Der abendliche Regen prasselte mit zunehmender Härte auf das Vordach des Forschungszeltes. Drei Tage waren seit unserer Ankunft vergangen. Drei Tage, in denen nichts geschehen war, außer dass Maloney, Sixpence und ich die Umgebung erkundet und so ziemlich jedes Tier aufgescheucht hatten, das in diesen Breiten beheimatet war. Wir hatten Webervögel in ihren kokonartigen Nestern entdeckt, Graupapageien und Krokodilwächtervögel. Wir hatten sogar einen Kronenadler dabei beobachtet, wie er einen Kolobusaffen von einem Zweig pflückte und heim in sein Nest trug. Nur von Mokéle m’Bembé fehlte jede Spur. Nicht der geringste Fußabdruck deutete darauf hin, dass das Biest überhaupt existierte. Ich fing an, Elieshis Bedenken zu teilen. Waren wir vielleicht einem Betrug aufgesessen? Waren die Aufnahmen, die wir im Hause der Palmbridges gesehen hatten, vielleicht nur eine raffinierte Illusion? So wie die Computersimulation des Labors im Film? Vielleicht hatte die Biologin Recht gehabt, und Mokéle m’Bembé war wirklich nur ein Mythos. Aber warum hätte Lady Palmbridge uns dann an diesen gottverlassenen Ort schicken sollen? Welchen Sinn hatte die ganze Aktion? Ich konnte es nicht erklären, doch spürte ich, wie mich die
Weitere Kostenlose Bücher