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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schwebten über dem Abgrund wie Fliegen über dem Maul eines schlafenden Riesen.
    »Astbury, ich verzeihe Ihnen alle Dummheiten, die Sie begangen haben. Das hier wiegt alles auf. Ich habe ja schon viel über diesen See gelesen, aber nichts davon scheint zu stimmen«, sagte Maloney. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, schwang so etwas wie Ehrfurcht in seiner Stimme. »Sieht aus wie der Eingang zur Hölle. Haben Sie davon etwas gewusst?«
    »Nur geahnt.« Ich erzählte den beiden von Sarahs Theorie über den Meteoriteneinschlag. Die Radioaktivität verschwieg ich jedoch, denn es war noch zu früh, um daraus Rückschlüsse zu ziehen.
    »Da unten wird sich das Nest befinden«, sagte Maloney nach einer Weile. »Was sagst du, Six’, gehen wir runter?«
    In diesem Augenblick spürten wir eine Turbulenz im Wasser, als habe er das richtige Stichwort geliefert, und ohne es auszusprechen, wussten wir, was das zu bedeuten hatte.
    Mokéle kam.
     
    *
     
    Der Australier reagierte sofort. »Astbury, Sie bleiben zwischen uns. Ich werde versuchen einen Treffer zu landen. Wenn mir das gelingt, tauchen wir wieder auf, aber nur dann, kapiert?«
    Rücken an Rücken standen wir auf dem Grund des Sees und warteten. Nur das Atmen meiner Begleiter und das keuchende Geräusch des Sauerstoffgerätes war zu hören. Die Zeit verstrich in quälender Langsamkeit. Niemand bewegte sich. Alle standen auf dem Grund, die Nerven zum Zerreißen gespannt, während unsere Helmlampen wie bleiche Finger in die Dunkelheit tasteten. Die Zeit schien auf einen Punkt zusammenzuschrumpfen. Ich fühlte, dass ich im Begriff war, erneut in Panik zu verfallen.
    Plötzlich hörte ich einen Schrei.
    »Da drüben ist er.«
    Ich fuhr herum und hielt den Atem an. Der Anblick ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. In zehn Metern Entfernung, gerade noch nah genug, um vom Kegel unserer Scheinwerfer erfasst zu werden, ruhte ein gewaltiger Kopf. Völlig regungslos lag er da, während der Rest des Tieres gnädig von der Dunkelheit verhüllt wurde. Wie in einer Folge von Momentaufnahmen registrierte ich die lidlosen Augen mit ihren geschlitzten Pupillen, die breiten Nüstern, aber vor allem das klaffende Maul mit seinen spitzen Zähnen.
    »Wir werden hier unten alle sterben«, stammelte ich.
    »Unsinn«, knurrte Maloney. »Wenn es gewollt hätte, hätte uns das Biest schon längst angegriffen.«
    »Er kann es sich jederzeit anders überlegen.«
    »Unwahrscheinlich. Wir sind wahrscheinlich zu nah an seinem Nest.«
    »Was heißt das?«, fragte ich.
    »Bei vielen Tieren erwacht der Jagdinstinkt erst in einem gewissen Abstand zur eigenen Brut. Eine Absicherung von Mutter Natur, um die Nachkommen vor den eigenen Eltern zu schützen.« Die Anspannung in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. »Sie hatten Glück im Unglück, Mr. Astbury, dass Sie den Eingang gefunden haben, sonst hätte er uns schon längst erledigt.« Mit diesen Worten hob er seine Harpune, presste den anatomisch geformten Kunststoffschaft gegen seine Schulter und visierte sein Ziel an. »Beten Sie, dass alles klappt.« Er krümmte seinen Finger und zog den Abzug durch.
    Der Pfeil schwirrte davon, eine dünne Kohlefaserleine hinter sich herziehend. Mit einer blitzartigen Geschwindigkeit verschwand der Kopf in der Dunkelheit.
    Maloney fluchte, als er sah, dass der Pfeil sein Ziel verfehlen würde. Es gab einen Ruck, und die Leine straffte sich. Der Pfeil sank kraftlos zu Boden. Maloney war fassungslos. »So etwas habe ich ja noch nicht erlebt«, murmelte er, während er die Leine wieder einholte und die Harpune erneut lud. »Er hat mich genau beobachtet. Schien nur darauf gewartet zu haben, dass ich abdrücke. Wer weiß, ob ich ihn noch mal so gut ins Visier bekomme.«
    »Wirst du«, sagte Sixpence. »Da drüben ist er wieder.«
    Wir fuhren herum. Tatsächlich, da war der Kopf wieder, gleicher Abstand, gleicher Gesichtsausdruck. Das Biest spielte mit uns.
    »Der will sich wohl einen Spaß erlauben«, zischte Maloney wutentbrannt. »Aber diesmal wird ihm das nicht gelingen. Sie müssen ihn ablenken, Astbury, damit er uns seine Flanke zeigt. Versuchen Sie es mal damit«, sagte er und deutete auf die Kamera.
    Ich verstand zuerst nicht, doch dann wurde mir klar, was er meinte. Mit einer vorsichtigen Bewegung löste ich die Kamera von meinem Handgelenk, hob sie in die Höhe. »Bereit?«
    »Bereit.«
    Ich drückte den Auslöser.
    Ein Blitz zerriss die Dunkelheit.
    Was nun folgte, übertraf meine kühnsten

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