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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Vermutungen. Mokéle, geblendet von der Helligkeit, stieß einen tiefen Schrei aus und donnerte an uns vorbei, hinab in die Tiefen des bodenlosen Abgrundes. Für den Bruchteil einer Sekunde präsentierte er uns dabei seine ungeschützte Flanke. Dieser Augenblick genügte, um Maloney Gelegenheit zu einem Schuss zu geben. Ich sah noch, wie der Pfeil davonschwirrte, dann traf uns die Flutwelle. Wieder einmal wurden wir durcheinander gewirbelt. Doch diesmal half uns der Grund des Sees, die Orientierung rasch wiederzufinden.
    »Schnell jetzt«, erklang Maloneys Stimme im Lautsprecher. »Ich hab den Pfeil wieder. Lassen Sie uns von hier verschwinden.«
     
    *
     
    Egomo lief unruhig am Ufer des Sees entlang, blieb stehen, spähte in die Ferne und machte dann wieder kehrt. Wie lange waren die Männer jetzt schon unter Wasser? Viel zu lange für seinen Geschmack. Niemand konnte sich so lange ungestraft im Reiche Mokéles aufhalten. Irgendetwas musste schief gegangen sein.
    Er eilte zurück zu Elieshi, die sich auf einen Stein gesetzt hatte und rauchte. Gedankenverloren starrte sie aufs Wasser. Er stellte sich vor sie und fragte, wie sie nur so ruhig dasitzen konnte. Ob sie denn nicht wisse, in was für einer Gefahr sich die drei Jäger befanden.
    »Natürlich weiß ich das«, antwortete sie. »Und sie wissen es auch. Komm, setz dich.« Sie bot ihm eines dieser merkwürdigen weißen Stäbchen an, und er griff dankbar zu. Egomo liebte es, sich von Zeit zu Zeit eine Pfeife anzuzünden, aber diese Zigaretten kannte er bisher nur vom Hörensagen. Als sie ihm Feuer anbot und sich seine Lunge mit dem wohlduftenden Qualm füllte, nickte er dankbar.
    »Weißt du, Egomo«, begann die Frau das Gespräch, »im Grunde ist mir genauso unwohl wie dir. Aber die Männer wissen, was sie tun, glaube mir. Maloney und Sixpence machen so etwas nicht zum ersten Mal. Nun, genau genommen machen sie es doch zum ersten Mal, aber sie verfügen über jahrelange Erfahrung.« Elieshi versuchte sich selbst Mut zuzusprechen, das spürte Egomo genau. In Wahrheit hatte sie genauso viel Angst wie er, und das machte sie verletzlich. Eigentlich waren ihm die vier Menschen alle sympathisch, angefangen mit dem schroffen, aber warmherzigen Jäger, über seinen Kollegen Sixpence, der gute Laune verströmte und, so wie er selbst, immer barfuss herumlief, bis hin zu Elieshi, die ein großes Herz hatte und viel Verständnis für ihn und sein Volk aufzubringen schien, eine Eigenschaft, die leider sehr selten war. Ein ganz besonderes Verhältnis aber hatte er zu dem bleichen, schüchternen Mann namens David. Er schien so gar nicht in diese Gruppe passen zu wollen, wirkte ängstlich und unsicher. Und doch hatte er mehr Grund, hier zu sein, als alle anderen. Seit ihm Egomo vor zwei Nächten zum ersten Mal begegnet war, empfand er ein starkes Band zwischen sich und ihm. Ein Band, das weit über Freundschaft hinausging. Er war sein Bruder im Geiste, und Egomo war sich sicher, dass sie sich in einem früheren Leben schon einmal begegnet waren. Außerdem spürte er, dass David eine besondere Aufgabe zukam. Er wusste nicht, was das sein würde, aber es hatte etwas mit ihm selbst, dem See, Mokéle und der weißen Forscherin zu tun, deren Schicksal immer noch ungeklärt war. David würde all diese losen Enden zusammenführen und der Geschichte einen Sinn geben, da war er sich sicher.
    Plötzlich sprang Elieshi auf.
    Das Wasser draußen auf dem See sprudelte auf, und die Köpfe der drei Taucher erschienen an der Oberfläche. Egomo warf die Zigarette fort und sandte ein Stoßgebet zu den Göttern.
     
    *
     
    Ich fühlte mich wie neu geboren, als wir alle wieder wohlbehalten im Boot saßen. Der Pfeil mit seiner wertvollen Ladung war sicher in einer Kühlkartusche verstaut. Immer noch vor Aufregung zitternd, versuchte ich mich vom Taucheranzug zu befreien. Sixpence half mir den Helm abzunehmen, und schon bald spürte ich die warme Luft auf meiner Haut. Der Sonnenschein und das fröhliche Tschilpen von Senegalschwalben, die dicht über das Wasser zischten und Insekten fingen, taten das Übrige, um die Angst der letzten Stunde abzuschütteln.
    Wir hatten es geschafft. Die Harpune lag vor unseren Füßen, die gläserne Kammer im Pfeil bis zum Rand gefüllt. Das Himmelfahrtskommando war geglückt. Ich lehnte mich zurück. Wenn wir wieder an Land waren, musste ich nur noch eine Analyse des Gewebes machen, den Rest für die Heimfahrt einfrieren und nach Emily suchen. Von mir aus konnte

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