Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Veranstaltungen.
Lassen Sie Ihren sexuellen Bedürfnissen freien Lauf. Schwangerschaften sind in Repuestos willkommen. Schwangere verbleiben bis zu ihrer Niederkunft im Westkamp A und verbringen anschließend drei Monate unbehelligt mit ihrem Nachwuchs auf der Baby- und Kinderstation im Westkamp B, das ansonsten Wöchnerinnen und Kindern bis zu achtzehn Jahren vorbehalten ist. Wer sich schwanger glaubt und einem Test unterziehen will, berühre am Monitor den Sensor Z und warte auf Anweisung.
Genießen Sie jeden Tag in diesem Kamp. Verwöhnen Sie sich im Schlaraffenland mit allem, was Ihrem Wohlbefinden zuträglich ist. Schöpfen Sie Luxus aus dem Vollen, drei Monate lang – eine Ewigkeit aus der Sicht einer Eintagsfliege. Am Ende dieser Zeit werden Sie einem abschließenden Gesundheitscheck unterzogen und in das Südkamp umgesiedelt.
Das Leben im Südkamp entspricht dem im Westkamp, allerdings sind Sie dort nicht länger vor Zugriffen auf Leib und Leben verschont. Einziger Trost: Michailowitsch Duda garantiert die Vermeidung physischer Schmerzen.
Sie werden in Abständen, die der Computer individuell berechnet, Blut spenden. Dazu befinden Sie sich in permanenter Abrufsituation, das heißt, Sie müssen ständig damit rechnen, dass Sie zur Spende in den OP gerufen werden. Zur Disposition stehen Ihre Organe und Gliedmaßen. Nach jeder Entnahme beziehungsweise Amputation werden Sie durch entsprechende Rehabilitierungsmaßnahmen zur weiteren Verwendung restauriert.
Im Ostkamp A sind die Herzamputierten untergebracht. Sie werden maschinell für Spenden weiterer Organe am Leben erhalten.
Das Nordkamp A bewohnen Arm- und Beintotalamputierte ...“
„Nur noch Köpfe, an denen Rümpfe hängen“, flüsterte Angela erschauernd.
Hier wird nicht geflüstert, Frau
Schlösser! Hier wird zugehört!,
schallte es von oben.
„… Augen, Gehirn und Spinalkanal sind nach durchschnittlich acht Jahren die letzten verwertbaren Körperteile. Deren Explantation erfolgt im Nordkamp B, wobei das Gehirn nicht weiterimplantiert, sondern zu labortechnischen Forschungen verwendet wird. Die Hirnteileresektion wird in der Regel erst nach dem Ableben vorgenommen.
Die Ersatzteilempfänger sind reiche Patienten in aller Welt. Sie kennen die Spender nicht und gehen von freiwilligen Abgaben Unfalltoter aus. Es wird von Fall zu Fall der kompatible Donor akribisch ermittelt. Misslingt eine Transplantation, erfolgt ein zweiter Versuch, ein dritter und sofort. Der größte Verschleiß liegt im orthopädischen Bereich, die Operationen werden mit jeweils neuem Ersatzteil bis zum Ausbleiben von Abwehrreaktionen des Patientenkörpers wiederholt.
Nach einer Entnahme verbleibt der Spender bis zur Genesung auf der Krankenstation und verbringt anschließend, je nach Schwere des Eingriffs, zwei bis sechs Wochen auf der hinter der Krankenstation liegenden Rehaklinik. Anschließend wird er zur weiteren Verwendung in den Ost- beziehungsweise Nordkamp versetzt.
Repuestos verfügt zurzeit über fünfhundertachtundsiebzig Spender in allen vier Kamps zusammen. Zweihundertachtzig Männer, zweihundertvierunddreißig Frauen, vierundsechzig Kinder.
Die Selbstmordrate ist hoch. Ein Suizid stellt für die Betreiber nur bedingten Verlust dar, da die Toten sofort zerlegt und in Teilen konserviert werden. Gleiches widerfährt ohne Vorwarnung Lebenden in Süd, Ost und Nord im Falle von Verstößen.
Bewahren Sie Ruhe und Vernunft, alles andere erschwert Ihre Situation. Ich empfehle Ihnen, sich der Seelsorge des Pater Alp anzuvertrauen. Er predigt täglich ab einundzwanzig Uhr in der Kapelle am Privalterkreis und steht anschließend für Gespräche zur Verfügung.
Auch der Pfarrer, aber nicht nur er, sondern alle, die hier einen Beruf ausüben, inklusive der Ärzte und der Bediensteten sämtlicher Einrichtungen, sind Spender. Wer daran interessiert ist, sich beruflich zu betätigen, findet Hinweise zur Bewerbung im Monitor unter P. Vergünstigungen sind damit, außer bei Ärzten, den Betriebsschützern und dem Ordnungspersonal, nicht verbunden. Ärzte werden fünf Jahre lang von jeglicher Spende befreit, und wer der Schutztruppe, einer Putzkolonne oder den Wäschebeschließern angehört, kommt lediglich für das Blutspenden in Betracht und wird ansonsten als Donor komplett gestrichen. Die Stellen sind derzeit voll besetzt, für Bewerbungen existiert eine waiting list.
Kommunikation mit Personen aus diesen Gruppen in jedweder Form ist
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