Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
eingenommen.
. „Nanu? Bist du geflogen?“, wollte Koko wissen.
„So gut wie. Du machst es ganz schön spannend. Hast mich tatsächlich neugierig gemacht. Hat dein Frauenheld etwa schon was herausbekommen?“
Sie ließen sich an dem kleinen Tisch in ihrer gewohnten Ecke unter Frau Schröders Palme nieder.
„So schnell schießen die Preußen auch wieder nicht. Reinhold geht äußerst diplomatisch vor. Das ist sein Stil und er ist erfolgreich damit. Jetzt hat er erst mal mit Lockenköpfchen angebandelt. Morgen treffen sie sich im Zoo.“
„Okay, also, was hat du auf der Pfanne?“
„Guck dir‘s an.“ Koko reichte Horst einen Bogen Papier mit einem Text aus aufgeklebten Glanzbuchstaben:
„Sehr geehrter Herr Konrad, spüren Sie die Neue Internationale auf. Sie ist eine Bedrohung unserer Zukunft. Sie formiert sich im Geheimen und plant die Weltherrschaft. In ihrem Zentrum operiert auch die Entführungsmafia. Ich weiß nicht, wo und unter welcher Tarnung sie niedergelassen ist, noch wie sie kontaktiert werden kann. Fest steht, dass sie ihre Tentakel über ganz Europa ausgebreitet hat. An der Richtigkeit dieser Information besteht kein Zweifel, bitte nehmen Sie sie ernst. Es geht dabei auch , aber nicht nur um die Auffindung der Entführten.“
Raabe rieb sich die Augen, las das Ganze noch mal, schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist Unfug.“
„Vielleicht. Vielleicht aber nicht. Wir sprachen doch kürzlich erst über die ‚Neuen Roten Brigaden‘ der Mailänder Bande unter Alfredo Davanzo. Und ein Zusammenhang mit den Entführungen könnte durchaus bestehen. Jedenfalls habe ich Theo beauftragt, im Internet nach Anhaltspunkten zu surfen. Wir können es uns nicht leisten, auch nur den Hauch einer Spur außer Acht zu lassen.“
Horst wurde nachdenklich.
„Ich muss dir zustimmen. Mir macht seit einiger Zeit ein ‚Update‘ in der F.A.Z. zu schaffen. Da schreibt Alexander Camman von einer ‚momentanen Sowjetisierung der deutschen Hochschulen‘. Nicht zu vergessen das linke Uni-Bündnis, das Trojanische Pferd er PDS, Die Linke. Ein Netzwerk der Hochschulen, in Frankfurt gegründet. Marion regt sich darüber mächtig auf. Mich hat das bislang wenig gekümmert – was aber, wenn diese roten Mieslinge die Spitze eines Eisbergs wären?“
„Dem Heer der ‚Intellektuellen‘ voran …“
Reizthema. Bei dem hatten sich die beiden schon oft – und keineswegs einvernehmlich – in Hitze geredet.
Raabe massierte sein Kinn. „Am Ende brodelt es tatsächlich unter unserer demokratischen Kuscheldecke. Aber ehrlich gesagt reicht meine Fantasie nicht aus, einen Zusammenhang mit den Entführungen zu konstruieren.
Was kann eine Neue Internationale mit einer Heerschar geraubter Menschen anfangen?“
„Da fallen mir schon paar Möglichkeiten ein. Warten wir ab, was Theo ausgräbt.“
***
Edmund holte Gustav und Angela von der Bibliothek ab. Gemeinsam wandelten sie zur Teestube. Sie waren mit Gerd verabredet. In der Finkengasse zupfte Angela beide am Ärmel und deutete auf das Kirchengebäude.
„Lasst uns reingehen – es ist noch viel Zeit bis zu unserem Treffen mit Gerd.“
„In eine Kirche?“ Gustav sah sie verstört an.
„Bitte!“
Gustav schlug ihr nur ungern etwas ab. Doch in dem einst strenggläubigen Katholiken sträubte sich alles gegen einen Kirchgang. „Gottesdienst – Gott – dass ich nicht lache! Siehst du nicht, wohin er uns geführt hat?“
„Gustav!“
„Der kann mir gestohlen bleiben, samt seinen Pfaffen.“
Es war ihr erster gemeinsamer Gang nach den schrecklichen Offenbarungen im Forum vor fünf Tagen. Mit dem Schock wurden sie nicht fertig. Angela sah flehentlich von einem zum anderen.
„Er kann dir ja gestohlen bleiben – mir übrigens auch –gehen wir dennoch mit ihr rein.“
„Na gut.“
Gustav bekreuzigte sich beim Eintreten in die heilige Stätte nicht, noch faltete oder legte er seine Hände zum Gebet aneinander. Stattdessen schickte er wilde Blicke zu Pfarrer und Altar. Das Lied, das alsbald folgte, „Nun nimm denn meine Hände …“, stand er nicht durch. „Ich warte draußen auf euch“, sagte er mit rauer Stimme und verließ den Saal. Er setzte sich auf die unterste der drei Stufen und versuchte, mit der Ohnmacht fertig zu werden.
Sie ließen ihn nicht lange warten. Spender unter Spendern durchstreiften sie den Tulpenpfad, Spender unter Spendern betraten sie die Teestube. Gerd war noch
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