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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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strengstens untersagt. Die Schutztruppe ist bewaffnet und sie ist loyal, da ihre Mitglieder daran interessiert sind, ihren Status zu bewahren.
    Ich fasse zusammen: Verstöße werden sofort geahndet. Die Videoüberwachung ist tonlos, es existieren außer im Forum keine Abhörvorrichtungen. Sie können reden, worüber Sie wollen, schimpfen, auf wen Sie wollen, auch verbale Auseinandersetzungen sind erlaubt. Handgreiflichkeiten hingegen werden auf der Stelle beendet. – Ende der Einführung.“
     
     
    Lutter verneigte sich andeutungsweise und verschwand vom Bildschirm. Zurück blieben vier Betriebsschützer und sechs Neue, die nun keine Novizen mehr waren, sondern Spender. Sechs neue Spender. Sechs bis ins Mark erschütterte Menschen, die sich fühlten wie gelähmt. Edmund hatte Zweifel, ob er den Verstand behielte. Aller Nerven waren zum Zerreißen gespannt – sie zuckten unter der Lautsprecherstimme unisono zusammen:
     
    Behalten Sie noch einen Augenblick Platz. Sie verlassen das Forum nach Aufruf und begeben sich einzeln oder zu zweien in Ihre Kemenaten. Dort bleiben Sie bis dreizehn Uhr. Ab dann verfügen Sie frei über Ihre Zeit bis morgen früh um sechs. Ich rufe auf:
    die Geschwister Heinlein. Alice und Gerda Heinlein, gehen Sie! “
     
    Zwei Frauen erhoben sich und verließen den atemlos stillen Raum. Nach fünf Minuten forderte die Stimme Dieter Schuster auf, das Forum zu verlassen, und nach weiteren fünf Minuten Angela Schlösser und Gustav Ketteler. Edmund Konrad war der Letzte, der aufgerufen wurde. Er taumelte wie angetrunken auf den Irispfad, in seiner Verwirrung vergaß er das Wandelgebot. Er wollte Gustav und Angela einholen. An der nächsten Kreuzung versperrte ihm eine eiserne Barriere mit der Leuchtschrift:
     
    Wandeln, Edmund Konrad!
     
    den Weg. Er starrte benommen auf die Sperre und überlegte, ob er unter ihr hindurch oder über sie hinweg seinen Weg fortsetzen sollte. Er unterließ beides, als siedend heiß das Gebot in sein Bewusstsein zurückkehrte. In Panik blickte er sich um in Erwartung der Betriebsschützer, die ihn ergriffen, doch die blieben aus. Die Schranke ging hoch und er taumelte zur Adlergasse. Gustav und Angela schlossen soeben ihre Türe. Er vernahm noch das Geräusch des Innenriegels.
     
    Sein Gleichgewicht war gestört. Er wankte in seine Zelle, ließ sich auf die Liegestatt fallen, schloss die Augen. Ersatzteillager – lebende Ersatzteildepots – Qualitätsware – bewohnte Patentsessel – Hirnexplantation – Rehabilitation zur weiteren Verwendung ...
    Schmerzende Sehnsucht, Günthersburgpark, Schulhof, Schule, verschwommen, schemenhaft, dann plötzlich Lothar Köneckes Großvater Roth, der den Unterricht stürmt, brüllt, ihm eine Szene macht wegen der Fünf, die Lothars Versetzung gefährdet. Zornig saust Roth in einer Gondel vorbei und lacht ihm höhnisch zu, sinkt in den Nebel zurück, daraus schwebt Lydia hervor – gesichtslos – flankiert von Mama Elisabeth und Papa – ausgestreckte Arme verlöschen, die Schüler seiner Elf erheben sich aus bewohnten Patentsesseln, wachsen über ihn hinaus, umkreisen ihn, stumm, steinern, Entsetzen in den Augen – ein Schurke in klatschender Heckwelle strampelt um sein Leben, strampelt, strampelt – und Edmund schaut zu. „Ich würde es wieder tun!“, schrie er auf und sah sich erschrocken um – umstanden von Feenkaminen – Kappadokien! – Edmund verlor den Halt, fiel und rutschte, rutschte durch einen steilen Schacht ins Kaymakli hinein, in die uralte, unterirdische Stadt, irrte durch Gänge, gelangte an einen Ausgang – verschlossen – durch einen riesigen Mühlstein verschlossen. Er stemmte sich mit aller Kraft dagegen, wachte auf und wusste, er war verloren. Repuestos – mein Gott! Ist es deine Strafe? Selbst wenn: Ich bleibe dabei, ich würde es wieder tun. Ja! Zuschauen, wie der Teufel ersäuft.
    Er sprang von der Bettstatt und hinüber ins Kabäuschen, starrte sein Spiegelbild an.
     
     
     
     
    ***
     
     
     
    Raabe legte den Hörer auf. „Worum geht es wohl? Hatte Kellermann bereits Erfolg?“, murmelte er vor sich hin und sagte zu Knöpfle: „Konrad hat eine wichtige Neuigkeit – am Telefon will er nicht darüber sprechen. Ich fahr rasch rüber. Nehmen Sie bitte den Ortstermin am Mainufer ohne mich wahr.“
    „In Ordnung“, antwortete Knöpfle verdrossen, er wäre lieber mitgekommen ins Detektivbüro. So wie der Fall von Edmund Konrad und der Entführungen überhaupt hat ihn noch keiner

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