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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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zu entkommen?“
    „Ich glaube schon. Man vermutet, er habe die verschiebbare Wand entdeckt. Über die Wand schwirren seit einiger Zeit Gerüchte durch Repuestos . Dahinter führe ein kurzer Gang zu einem Eisentor vor einer Art Schleuse, von der aus ein Tunnel im rechten Winkel abginge. Und dieser führe in die Freiheit.“
    Edmund räusperte sich. „Fantasie der Verzweiflung. Ich glaube nicht ...“
    „Glauben – nicht glauben – besser wäre wissen, ob der Tunnel existiert. Ausschließen kann man das nicht … Das Gerücht deckt sich mit dem, was ich in den Achtzigerjahren gehört habe, wonach ein unterirdischer Gang von Frankfurt bis nach Berlin führen soll. Damals habe ich gelacht und dem Jungen, der mir die Geschichte erzählt hat, natürlich kein Wort geglaubt.“
    „Damals – und heute?“
    Der Kellner brachte die Vorspeise.
    „Besser, wir unterhalten uns morgen weiter und widmen uns jetzt dem Essen, die Späher könnten misstrauisch werden und unsere Lippen unter die Lupe nehmen.“
    Wieso das denn – ausgerechnet unsere Lippen, fragte sich Edmund und sagte: „Einverstanden, guten Appetit.“
    Nach dem Essen verabredeten sie sich für den nächsten Tag. Edmund täuschte aus Höflichkeit Interesse an Frau Schneiders Geschichte vor. Er hielt nicht viel davon, sie war zu fantastisch.
    Er musste die Freunde finden. „Halleluja!“, tönte es hinter ihm, als er seine Schritte in den Geranienpfad lenkte. „Lobet den Herrn in seinem Heiligtum. Lobet ihn in der Feste seiner Macht!“ Genervt drehte Edmund sich um. „Ist ja gut“, sagte er, doch der Frömmler wechselte bereits auf die Seite gegenüber und hielt mit einem anderen Spruch auf eine kleine Gruppe zu. – Da sah Edmund ein Stück voraus Angela, wie sie um die Ecke in die Storchengasse lief. Um sie einzuholen, beschleunigte er seine Schritte so, dass er gerade noch wandelte, als ein Mann, der aus der entgegengesetzten Richtung auf ihn zukam, vor ihm ausrutschte und hinfiel.
    „Danke, es geht schon, vielen Dank“, sagte der Gestürzte, der sich mit Edmunds Hilfe wieder aufrichtete. Die beiden Männer betrachteten erstaunt das zerquetsche Ding am Boden: eine Schnecke.
    „Wie um alles in der Welt ist die hierhergeraten?“
    „Das wüsste ich auch gern. Adolf Merze ist mein Name, gestern im Hades gelandet.“
    „Bin auch noch nicht lange hier. Edmund Konrad. Sagen Sie – ich kenne Sie doch irgendwoher?“
    „Kann sein. Von Plakaten vielleicht – Sie sind doch auch aus Frankfurt? Ich habe es eilig, man hat mich in den ‚Tulpenkorb‘ beordert, um meinen Bruder zu empfangen.“
    „O weh!“, rief Edmund ihm nach, „Ihre armen Eltern!“
    „Ha! Denen sei es herzlich gegönnt“, rief Merze zurück.
    Was bist du denn für einer?, empörte sich Edmund und überlegte: von Plakaten? Im Moment fiel ihm dazu nichts ein. Zumindest erinnerte ihn dieser sorgfältig gefärbte Künstlerhaarschopf an etwas.
    Nun konnte er sich Zeit lassen, Angela war nicht mehr einzuholen. Doch wieso war sie allein unterwegs? War sie mit Gustav zerstritten? Und wo war Gustav – und Gerd? Was ging da vor? Vielleicht suchten die drei nach ihm – getrennt? Vielleicht klopfte einer von ihnen noch heute an seine Tür? Er war ohnehin müde, wandelte „heim“ und legte sich hin. Es kam niemand, ihn zu suchen. Um viertel nach acht wachte er auf und zog los, nicht, ohne noch einmal drüben anzuklopfen. Nichts. Die Sache begann, ihn ernsthaft zu beunruhigen. Sein Weg führte zu den Wellnesshallen. Er suchte die Whirlpools im Badetrakt ab, sodann den Spielsalon. Wiederum nichts. Er folgte lustlos der Einladung eines Langhärlers am Billardtisch, sich mit ihm zu messen, spielte ein paar Kugeln, die aber, wie ihm schien, etwas gegen ihn hatten. Sein Spielpartner tröstete ihn: „Mach dir nichts draus, Kumpel, kostet ja nix!“ Edmund stellte seinen Queue zurück, als eine schluchzende Stimme von den hinteren Tischen rief:
    „Mann, geht es uns gut! Wir leben wie die Maden im Speck, ohne einen Finger rühren zu müssen!“
    „So ist es“, gab ein spindeldürrer Rotschopf, der gegen einen Computer Schach spielte, mit lauter Stimme zurück, „wir können essen, was wir wollen, spielen, was wir wollen, und reden, was wir wollen, und ich esse nur noch Hummer und Kaviar und Austern und ich spiele nur noch Schach und ich rede nur noch vom Dritten Reich und ich sage euch, sein Untergang, das ist der Untergang des Abendlandes und das, was uns nun blüht, ist die Quittung

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