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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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ihn eine Schwäche, rote Ringe tanzten vor seinen Augen, es wurde ihm schwarz vor den Augen und er fiel samt Fahrrad seitlich in den Grünstreifen Polyestergras.
     
    ***
     
    Irgendetwas ist nicht in Ordnung, dachte Edmund, als er zu sich kam. Wo war er, was geschah mit ihm? Um ihn fremde Stimmen, ungewohnte Gerüche, dann ein Schmerz, der ihn durchzuckte, und mit dem Schmerz war sie wieder da, die Katastrophe Repuestos . Er war Gefangener, Verbrechern ausgeliefert. Edmund sah sich um, während Dr. Richters Assistent seine Schürfwunde zwischen Kinn und Schläfe mit Jod betupfte. Er erkannte in ihm einen der jungen Männer, die ihm vor einer Woche Auskunft über Angelas Verbleib gegeben hatten.
    „Tut mir leid, aber es muss sein“, sagte er jetzt und setzte die Behandlung mit der ätzenden Tinktur fort, „was ist eigentlich passiert?“
    „Ich erinnere mich, dass ich vom Rad stürzte.“
    „Erinnern Sie sich denn auch, wodurch?“
    „Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen und – aus.“
    „So war das also.“ Ein Weißkittel kam aus dem Raum nebenan und reichte Edmund die Hand. „Ich bin Dr. Richter, wie fühlen Sie sich?“
    „Recht schlapp, äußerlich betrachtet. Ansonsten so, wie wohl jeder in Repuestos . Darüber hinaus ist mir angst und bange vor möglichen Folgen ... kann mein Schwächeanfall als Verstoß angesehen werden?“
    „Auf keinen Fall. Die Folgen sind, dass Sie ein paar Tage zur Beobachtung und für einige Untersuchungen hier bei uns auf der Station verbringen müssen.“ Der Arzt betrachtete eingehend seine Pupillen. „Und danach werden Sie entweder zur Therapie in die Kardiologie überwiesen oder zurück in Ihre Kemenate geschickt.“
    „Wie geht es zu in der Kardiologie?“
    „Unbedrohlich, falls Sie das meinen, ich glaube aber kaum, dass ein Befund zutage kommt, der eine Stationierung erforderlich macht. Wie ich das sehe, liegt nichts weiter vor als eine vorübergehende Kreislaufstörung. Das haben wir bei Neuzugängen öfters. Das macht der, nun ja, Klimawechsel, um nicht zu sagen der Kulturschock. Der Körper muss sich erst eingewöhnen.“
    Der Arzt hörte Brust und Rücken ab. Edmund steckte in einem Krankenhaushemd, das am Rücken offen war. Elektrokardiogramm und Ultraschalluntersuchung bestätigten Richters Annahme, dass dem Herzen nichts weiter fehlte.
    „Ich muss die EKG-Aufzeichnung dem Computer einscannen, unsere Regierung ruft sie ab und lässt sie begutachten. Morgen und übermorgen finden noch einige Tests statt. Aber ich gehe davon aus, dass Sie danach ‚nach Hause‘ können. Ich habe noch eine verdammt gute Nachricht für Sie: Aufgrund des Vorkommnisses sind Sie ein für alle Mal im System als Herzspender gestrichen worden. Für diese spezielle Niedertracht kommen Sie nun nicht mehr in Betracht.“
    Noch ehe Edmund diese Neuigkeit erfasst hatte, war Dr. Richter draußen. Pfleger Heiner Feldmann brachte ihn in die Kabine Nummer drei der Unfallstation. Zu jeder Seite des langen, schmalen Ganges gab es davon sieben. Alles Einzelkabinen, durch schalldichte Glaswände voneinander getrennt.
    „Einzelhaft“, stellte Edmund fest.
    „Wieso, weiß ich auch nicht“, sagte Feldmann, „vielleicht wegen der Ansteckungsgefahr ...“
    „... bei Tuberkulose … oder Aids?“
    „Dürfte kaum vorkommen. Wir Spender sind doch wahre Gesundheitsbrocken. Bakterien- oder Virenträger werden in Repuestos so wenig angeliefert wie Kranke oder Schwache. Nichtsdestoweniger wird jeder vor der Überführung nach Süd noch mal genau unter die Lupe genommen, ebenso Spender, die schlapp machen. Raskolnikoffs Kunden sollen schließlich mit astreinem Material bedient werden. So. Sie müssen sich jetzt hinlegen. Für die Dauer der Untersuchungen, also bis morgen Abend, ist strenge Bettruhe angeordnet. Sie wissen ja, man schaut uns zu, dies hier ist keine Kemenate.“
    „Scheußlich. Selbst im Bett unter Sichtkontrolle.“
    Feldmann erkundigte sich nach seiner Angela.
    „Sie ist nicht meine Angela, sondern die Freundin meines Freundes Gustav, der inzwischen auch in Repuestos gelandet ist. Soviel ich weiß, ist es nicht mehr ganz so schlimm mit ihrer Morgenübelkeit.“
    „Ah, Sie haben einen Freund hier. Ich habe auch Bekannte von zu Hause hier. Ein ehemaliger Nachbar. Bis nächste Woche kellnert er noch im ‚Palmenhof‘, dann geht‘s ab nach Süd. Eine Cousine von mir und ihr Mann sind längst im Südkamp. Sie hatten verzweifelt versucht, ein Kind zu produzieren, damit wenigstens sie

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