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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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nicht aus den Augen, sah mehr auf ihre Schultern und auf ihren Kopf als auf die Bühne, als fürchte er, sie könne sich in Luft auflösen. Als der letzte Applaus verklungen war, nahm er sie bei der Hand und verließ mit ihr den Saal.
    „Wo hast du denn gesteckt? Wir haben im Spielsaal bis zum Abend auf dich gewartet und dich dann überall gesucht.“
    Sie liefen wie in Zeitlupe nebeneinander her.
    „Bin vom Rad gestürzt und kam auf die Krankenstation. Wo ist Gustav?“
    „In der Apathie .“
    „Was???“ Das traf wie ein Peitschenhieb. „Weshalb?“
    Angela sah ihn lange an. Müde und abgeschlagen.
    „Wir lernten in der Eisdiele drei Typen kennen, als wir dich suchten. Sie hatten einen Plan. Um den auszuführen, brauchten sie noch zwei Mann, hielten Gustav und Gerd für die richtigen und weihten uns ein. Sie sagten …“
    „Entschuldige kurz, weißt du, wo Gerd ist?“
    Angela zuckte mit den Schultern.
    „Bei dieser Frau, vermute ich mal, die hat ihm total den Kopf verdreht, dabei könnte sie glatt seine Mutter sein!“
    „Was macht das hier noch für einen Unterschied“, sagte Edmund. „Wollen wir uns wo hinsetzen, auf einen Espresso oder so?“
    „Nein, ich möchte in meine Zelle und in die Horizontale, habe verdammte Kreuzschmerzen.“
    „Sorry, hab dich unterbrochen. Was war das für ein Plan?“
    „Sie wussten von einer Wand in Repuestos , die sich verschieben lässt und hinter der sich eine sehr kleine Tür befindet, mehr eine Klappe, vor einem Schacht, über den man in einen Tunnel gelangt, der nach Zeppelinheim führt, direkt in den Keller des Zeppelinmuseums. Woher sie das wussten – keine Ahnung. Jedenfalls hatten sie die Schiebewand gefunden. Ihr Plan: Vier Leute bilden eine Mauer, das heißt, stehen im Kreis zusammen, als unterhielten sie sich, und versperren der Videokamera die Sicht, während der fünfte die Wand verschiebt, das Schloss knackt und durch die Klappe das Weite sucht, nachdem er die Wand vom Schacht her wieder zurückgeschoben hat. Alles sollte blitzschnell gehen.“
    „Welch bodenlose Naivität – die Idee mit der Mauer!“
    „Du wirst lachen, das hat funktioniert! Lass mich zu Ende sprechen. Theo, der Videoexperte der drei, hatte das bestimmte Kameraauge lokalisiert, die Sichtrichtung der Kamera zu der Klappe hin ausgemacht und uns vorgeführt, was zu geschehen hatte: Einer von ihnen stellte sich mit uns dreien im Kreis ein Stück vor die betreffende Stelle, die beiden anderen simulierten hinter ihnen ein Streitgespräch, das in Handgreiflichkeiten überging, und – nichts passierte. Hätte dich das nicht auch überzeugt?“
    „Und weiter?“
    „Gustav war total begeistert, bot an, den Hauptpart zu übernehmen, weil er schon von Berufs wegen mit Türen, Klappen und Schlössern leicht fertig wird, wollte aber die Details erst noch mit dir durchsprechen. Wir haben dich überall gesucht, auch am nächsten Tag, vormittags in den Übungsräumen nach dir Ausschau gehalten, mittags die Restaurants abgeklappert – gestern Nachmittag trafen wir die drei wieder und redeten alles noch einmal durch. Am Abend schritten wir zur Tat. Es klappte alles wie am Schnürchen, ich war als zusätzliches ‚Mauerstück‘ mit von der Partie. Gustav verschwand und wir fünf verteilten uns in alle Richtungen.“
    Angela atmete schwer.
    „Ich wandelte frohlockend in meine Kemenate, mein Herz klopfte wie verrückt. Betete zu Gott, dass Gustav heil in Zeppelinheim ankommt und wir alle in wenigen Stunden befreit würden. – Nach einer Stunde herzklopfender Hoffnung leuchtete der blaue Knopf am Monitor auf. Ich schaltete ein und bekam auf dem Schirm die Apathie mit Gustav in einem der Patentsessel …“
    Sie weinte leise und weinte und weinte. Edmund fühlte ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. Er sah Angela an, wollte sie trösten und blieb stumm. Jedes Wort hätte schal geklungen. Konnten sie denn überhaupt nichts tun? Gustavs Schicksal in der Apathie schreckte ihn zu seiner Überraschung nicht ab, sondern mobilisierte im Gegenteil seinen Tatendrang.
    „Angela“, hörte er sich sagen, „versuche zu schlafen. Du brauchst deine Kraft. Wir brauchen alle unsere Kraft. Bis zum Ende unserer Zeit hier in West fließt noch viel Wasser den Main hinunter und es kann so viel geschehen. Um Gustav müssen wir uns vorerst nicht sorgen. Im Moment ist er nicht verzweifelt, sein Geist außer Betrieb. Vorübergehend. Und in Gefahr ist er auch nicht. Es wird dafür gesorgt, dass seine Gesundheit keinen

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