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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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eben in das Reisebüro reinschauen und mich als potenziellen Kunden outen. Lieber Doktor, bitte leisten Sie den Damen Gesellschaft – bei Kaffee und dem vorzüglichen Frankfurter Kranz –, bis ich zurück bin, es dauert gewiss nicht lange.“
    Unterwegs zur Hanauer Landstraße erhielt er via Handy Reinholds neuste Erfolgsmeldung. Zunächst verstand er ihn nicht, er klang irgendwie sprechbehindert.
    „Hast du gerade in einen Apfel gebissen?“
    „Das nicht, bin etwas lädiert im Gesicht.“
    „Letzte Nacht gelumpt, wie? – Na egal – ruh dich gut aus, damit du Mittwoch fit und helle bist für dein Rendezvous.“
    „Das muss noch warten. Der Knabe fährt erst nächste Woche nach München.“
    „Ach!“
    „Hoffentlich zischt er dann auch wirklich ab. Bin um die Vertagung nicht böse. Bis dahin kann ich vielleicht wieder beide Augen gebrauchen.“
    „Ist denn eines außer Betrieb?“
    „So könnte man es nennen. Zugeschwollen. Die ganze linke Backe. Essen geht nicht, Sprechen fällt schwer. Knüppel im „Roten Ochsen“. Preis für ein Barthaar.“
    „Das tut mir leid.“ Das war aufrichtig gemeint, dennoch musste Koko schmunzeln, weil er sich die Szene illustriert vorstellte.
    „Mir auch“, sagte Reinhold, „aber das wird wieder. Dem anderen fehlt jetzt ein Zahn vorne im Mund und der wächst nicht nach.“
    Jetzt erst kam die Botschaft bei Koko an. „Sag bloß, du hast das Barthaar!“
     
    Als Raabe um drei Uhr früh enttäuscht und übermüdet von Kassel nach Hause kam, wo er und Knöpfle vergeblich auf der Lauer gelegen hatten, stand Marion noch fleißig pinselnd vor ihrer Staffelei. Sie hatte mit einer Überraschung auf ihn gewartet: mit dem Barthaar des Erwin Kloße.
    „Toll! Richtig freuen darüber werde ich mich morgen, jetzt bin ich zu müde.“
    „Koko war so stolz. Er kam mit dem Haar gestern abend spät vorbei … Er hatte dich über Handy nicht erreicht, um dir den Erfolg zu melden.“
    „Ich musste es ausschalten, es hätte uns verraten, falls die Kerle aufgetaucht wären.“
    „Aha. Falls. Also sind sie nicht.“
    Eine Nacht um die Ohren gehauen für nichts. In Augenblicken wie diesen hasste Marion den Beruf ihres Mannes.
    „Ich soll dir von Koko außerdem ausrichten, dass der Geschäftsführer des Reisebüros Silverbird seit gestern in Moskau ist, in der Zentrale des Unternehmens. Er wird übermorgen zurück erwartet. Kokos Mitarbeiter Rehbein lässt durch einen Moskauer Kollegen die Zentrale des Reiseunternehmens observieren.“
    „Hat er sonst noch was gesagt?“
    „Dass er dringend die Angehörigenliste haben will. Du solltest Hübner mal richtig angehen, der hätte doch genug am Stecken, du wüsstest schon, was.“
    Nun gähnten sie im Duett, es war kurz nach vier.
     
    Kommissar Hübner, Leiter der Vermisstenstelle, dachte nicht daran, dem Kollegen vom Morddezernat die Liste zu übermitteln, um die er so eindringlich gebeten hatte, und erklärte wiederholt, er solle sich um seinen eigenen Kram kümmern. Also musste Raabe mit schwerem Geschütz aufwarten. Hübner ahnte nicht, dass der Kollege um die alten Geschichten wusste, die Koko ausgegraben hatte – nämlich die mit den sieben Pferdchen, die seinerzeit in Schwerin für ihn liefen, den heutigen Chef der Vermisstenstelle – lange vor seinem Amtsantritt in Frankfurt ... Er fiel aus allen Wolken und rückte die Liste heraus. Raabe faxte sie auf der Stelle Koko zu.
    Im „Nussknackerbüro“ wie in der Anwaltskanzlei blieb daraufhin alles stehen und liegen. Zweihunderteinundsiebzig Adressaufkleber waren zu tippen und auf die bereitliegenden DIN-A4-Umschläge zu kleben, in denen seit Tagen die Formulare und frankierten Rückumschläge steckten. Sie hatten es geschafft, das komplette Paket vor achtzehn Uhr aufs Postamt zu bringen. So waren die Fragebögen am Samstag im Besitz der Adressaten gewesen und am Montag ausgefüllt zurückgekommen, der größte Teil jedenfalls.
    Hans Rehbein hatte ein Programm zur Auswertung für die siebenundneunzig Fragen geschrieben. Seit acht Uhr früh gab er die Antworten in den Rechner ein.
    „Ich glaube, da zeichnet sich schon ein Muster ab!“, rief er freudestrahlend Koko entgegen, der mit einem Packen Post den Computerraum betrat und kein Wort verstand, weil er zur gleichen Zeit rief: „Die Aktion ist ein voller Erfolg, hier habe ich die nächsten einunddreißig Antworten, es stehen nur noch dreizehn aus.“
    „Großartig! Die gebe ich noch ein, ehe ich mich festlege, ich glaube, du

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