Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Reinhard war am Apparat und sagte, dass er die Objekte wie besprochen aufgenommen und ihm die Fotos soeben abgesandt habe. Nach dem Abendessen entnahm Koko dem Computer Kellermanns Brief mit den Bildern als Anhang, breitete die Ausdrucke auf dem Schreibtisch aus und legte den Stadtplanausschnitt rund um den Laden daneben, den Reinhard schlauerweise mitgesandt hatte. Er rief Beate und Lydia herbei.
„Seht euch das an. Was meint ihr, von wo aus können die Häscher den Ladeneingang beobachten, um aktiv zu werden, sobald eine Zielperson den Laden betritt.“
„Also, von den Bauten ringsum erscheint mir der mit der Glaspyramide auf dem Dach hier am ehesten infrage zu kommen“, meinte Lydia, „von hier aus ist der Blumenkiosk gut zu sehen und auch jeder, der vorbei- oder aus- und eingeht.“
„Das hört sich logisch an. Den Bau werden wir unter die Lupe nehmen – gleich morgen.“
Sie fanden noch fünf weitere Objekte, die für eine Untersuchung infrage kamen.
Beates Zeigefinger umkreiste zuletzt den Mittelpunkt der Karte: „Und was ist mit Spuren“, sagte sie, „die die Gangster hinterlassen haben … in und um die Boutique und hinter den Büschen, vor denen der Polo geparkt war?“
„Das sind keine Büsche“, klärte Koko sie auf, „das ist eine ziemlich hohe, efeubewachsene Mauer, hinter der konnte sich niemand verstecken, schnell genug drübersteigen und zupacken. Und dort, wo der Wagen stand, wurde jeder Millimeter abgesucht, von der Polizei und von uns. Ebenfalls die Flächen um die Boutique herum. Nur den Laden selbst konnten wir nicht unter die Lupe nehmen, der Geschäftsführer ließ uns abblitzen und Raabe konnte keinen Durchsuchungsbefehl erwirken.“
„Hast du übrigens von ihm die Liste bekommen, um die du ihn batest?“
„Die hatte er mir für heute Nachmittag fest zugesagt, aber er musste einem Hinweis im Mordfall Scholz nachgehen, der ihm plötzlich ins Haus geschneit kam, und Zahnweh hatte er auch noch. Wir müssen uns noch bis morgen früh gedulden. Der Fragebogen an die Betroffenen ist im Entwurf fertig. Ich habe euch zwei Exemplare mitgebracht. Denkt nach, ob euch weitere wichtige Fragen einfallen. Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Es gibt garantiert einen gemeinsamen Nenner ...“
„Hoffentlich ist Edmund noch am Leben.“
„Daran darfst du keine Sekunde zweifeln, Lydia. Keine Sekunde.“
Koko rief Hans Rehbein an und bat ihn für den nächsten Morgen in sein Büro. „… sage inzwischen schon mal Erich und Walter Bescheid, dass sie sich ab sofort bereithalten sollen.“
***
Die Kneipe war angefüllt mit blauem Dunst – das Kommissarenduo wunderte sich : War das Rauchverbot hier außer Kraft gesetzt?
„Uuuu“, Knöpfles Gesicht wurde zur Grimasse. Er schob das Gerippte nach einem kleinen Schluck von sich. „Scheußlich!“, rief er aus und Raabe lachte. „Anfängern schmeckt Äppelwoi frühestens nach dem dritten Glas.
„So viel steh ich nicht durch“, sagte er, „ich trink lieber ein ...“ Bier wollte er sagen – und stutzte. Konrad kam aus dem „Sitzungszimmer“ auf die beiden zu. „Hat der Obernazi Sie durchschaut und rausgeworfen?“
Koko hatte sich bei der Gruppe vorstellen wollen mit dem angeblichen Wunsch, ihr beizutreten. „Ist noch keiner da“, sagte er, „ist wohl noch zu früh – ich setz mich einsteilen zu euch.“
Sie bestellten Handkäs mit Musik und warteten auf das Eintreffen der Rechtsradikalen. Warteten und warteten. Die Kneipe war übervoll. Lutz und sein neuer Aushilfskellner hatten alle Hände voll zu tun, schwirrten mit beladenen Tabletts balancierend umher. Lutz kurvte an ihnen vorbei, zuckte mit den Schultern und rollt die Augen dazu, was so viel heißen sollte wie „Ich weiß auch nicht, wo die bleiben. Noch nicht eine Figur war bislang im Nebenraum verschwunden – es war bereits halb acht. Und dabei blieb es. Bis Mitternacht.
„Zahlen!“, rief Koko. Lutz eilte herbei, addierte die Posten, riss das Blatt vom Block, beugte sich zu ihnen hinunter und meinte: „Den Burschen muss was quer gekommen sein. Ich denke, die lassen sich hier nicht mehr blicken.“
„Sieht ganz danach aus. Wenn doch, rufen Sie mich bitte sofort an.“ Koko legte seine Karte auf den Geldschein. Sie brachen auf.
„War ein Schuss in den Ofen. Dem Wirt traue ich nicht über den Weg. Werde sofort eine Observierung veranlassen“, sagte Raabe. „Was haltet ihr übrigens davon, am Sonntagnachmittag auf eine Tasse
Weitere Kostenlose Bücher