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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Zuständigkeitsbereiche außerhalb seines Kommissariats ganz zu schweigen. Wieso erkennt er nicht den Unterschied zwischen Einmischen und Recherchieren?, wurmte es in Raabes Kopf. Schließlich berührten sich die Spuren unterschiedlicher Bereiche oft oder überkreuzten sich. Freilich, in der Blumenboutique hatte er offiziell nun nichts mehr verloren. Aber Hübner unternahm ja nichts! Er hatte nicht einmal, so geboten es war, im Zusammenhang mit dem Mord an dem Schüler, zu dessen Recherchen er nun weiß Gott befugt war, seinen Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl befürwortet. Interessant wäre die Antwort auf die Frage, auf welchem Weg Mandel Raabes Versuch, dem Blumenverkäufer erneut auf den Zahn zu fühlen, spitzgekriegt hatte.
    Er versuchte, den Ärger wegzuwischen, machte pünktlich Feierabend und stand bald danach im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos vor Marions neustem Bild.
    „Fantastisch“, brachte er nach geraumer Zeit hervor.
    Sie strahlte. „Ein paar kleine Nacharbeiten – dann ist es fertig.“
    Er legte seinen Arm um ihre Schultern, immer noch in die Betrachtung der „Ouvertüre zur Apokalypse“ versunken. Das Thema behagte ihm nicht – eher im Gegenteil, doch bewunderte er Marions Kunst, es auf die Leinwand zu bringen. Es gab eine Elite von Literaten wieder, die, so ließ der Hintergrund erkennen, beschlossen hatte, die „Weltrevolution“ endlich in Gang zu setzen. Am Himmel darüber wachten und lachten Quellwolken mit frappanter Ähnlichkeit der Köpfe von Marx und Engels. Das Bild wich thematisch deutlich von all ihren anderen Arbeiten ab, mit politischer Polemik hatte sie sich bisher nicht befasst. Im Jahre 1997, nach der Erfurter Erklärung, aber – aus wütendem Bauch heraus – in Kohle konzipiert, hatte sie sich im letzten Winter nach einem angeregten Abend mit guten und weniger guten Freunden in einer Äppelwoikneipe in Sachsenhausen darangemacht, dieses Bild zu schaffen. Zu ihrer eigenen Erbauung oder besser, zur Besänftigung ihrer Empörung. Horst teilte generell ihre politischen Ansichten nicht, doch die neuste Tendenz extremer Linken ging selbst ihm gegen den Strich.
    „Das wird Furore machen, mein Schatz!“
    „Ich habe es mir von der Seele weg aufs Brett gebannt. Es steht nicht zum Verkauf, ist nicht fürs Publikum bestimmt. Und dabei soll es auch bleiben.“
    „Aber wieso denn?“
    „Wieso?“ Sie zuckte mit den Schultern, sie wusste es nicht. Oder wollte sie es nicht wissen beziehungsweise nicht zugeben …?
    „Vielleicht überlegst du dir das noch.“
    „Ich habe es für mich gemacht – meine Ängste von der Seele weg aufs Brett gebannt.“
     
    Als ob das hülfe und nicht im Gegenteil diese noch schürte. Über diese Ängste, nahm Horst sich vor, während er sich von seiner Krawatte befreite, muss ich in einer ruhigen Stunde mit ihr sprechen.
    Das Telefon läutete. Es war Koko, verärgert und aufgeregt:
    „Alles negativ. Hans hat in Wiesbaden nichts vorgefunden. Keinen Computer im Zimmer der Laborantin, keine Aufzeichnungen, nichts. Nada. Einfach nichts.“
    „Das gibt es doch nicht!“
    „Ist aber so. Da der Rechner an ihrem Arbeitsplatz wohl kaum für derart brisante Aktivitäten infrage kommt, operiert die Dame höchstwahrscheinlich von daheim aus. An den Wochenenden. Sie wohnt irgendwo im Taunus oder Spessart. Rehbein kümmert sich darum. Kellermann tritt auch auf der Stelle. Lolitas Liebhaber ist aus dem Rennen, der Knacki ist wieder draußen und bringt das Mädchen morgens in den Blumenladen und holt es abends ab.“
     
    ***
     
    Hans Rehbein jagte über die Wiesbadener Autobahn nach Fischbach. Er ließ sich vom GPS bis vor die Hausnummer drei am Schwanenplatz lotsen, nahm das Haus in Augenschein und bog drei Häuser weiter in die Rittergasse ein. Hier stellte er sein Fahrzeug ab und marschierte die wenigen Meter zurück. Die Wohnung der Laborantin befand sich im ersten Stock eines alten Fachwerkhauses. Die Stufen knarrten, er nahm immer zwei auf einmal. Auf dem Messingschild neben der Tür war der Name Schwarz eingraviert. Obwohl er davon ausgehen konnte, dass sie noch nicht zu Hause war, klingelte er an ihrer Tür, ehe er daranging, sich einen nicht ganz legalen Zutritt zu verschaffen. Zu seiner Überraschung näherten sich schlürfende Schritte. Er erschrak und steckte die Kreditkarte rasch zurück. War sie – den Recherchen nach Single – doch schon daheim?
    Ein alter Mann öffnete die Tür, umwedelt von einem jungen, rabenschwarzen Gordonsetter.

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