Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
der über Fünfzigjährigen, generell lässt man meist ab diesem Alter prophylaktisch Gesundheits-Checks durchführen. Diese Erkenntnis lässt nur einen Schluss zu … die Mafia wählt ihre Opfer unter diesem Aspekt aus.“
Lydias Lippen zuckten, sie war dem Weinen nahe, und während Marion nach aufmunternden Worten suchte, ergriff Beate Lydias Hand mit beiden Händen. Zuletzt sahen alle zu Horst, der die Decke über dem Kronleuchter zu fixieren schien, stumm seine Lippen bewegte und schließlich fragte:
„Und, mein lieber Koko, was schlussfolgerst du daraus?“
„Vor allem, dass die Entführten am Leben sind. Niemand unterzieht sich der Mühe, eine Elite strotzender Gesundheit auszulesen, um sie zu töten. Man wählt gesunde Opfer, weil man sie zu etwas braucht. Wir können also sicher sein, dass sie leben – dass Edmund lebt.“
Vor Lydias Füßen lagen tausend Fitzel zerrupfter Tempotaschentücher und noch immer war sie am Zupfen. Sie sagte erregt:
„Braucht? Missbraucht? Wozu? Als Guerillakrieger?“
„Das glaube ich nicht“, meinte Marion, „dazu ist der Anteil an Frauen zu hoch – ich denke eher an Machenschaften einer Gangsterpharmazie, an skrupellose Forscher – an Versuchskaninchen. Wo aber kann man so viele Leute versteckt halten, wo hat man sie hingeschafft?“
„Auf eine entlegene Insel vielleicht“, meinte Beate, „auf eine in privater Hand. Oder, falls irgend ein Staat dahintersteckt, in militärisches Sperrgebiet.“
„Das sind zwei Möglichkeiten von vielen“, sagte Koko.
„Und wie bewerkstelligt man das? Wie bringt man so viele Menschen gegen ihren Willen an einen Ort, ohne dass irgendwer das mitkriegt?“, fragte Marion.
Lydia sah darin kein Problem. „Das ist einfach. Betäubt und in einem Privatjet zum Beispiel. Es verschwindet ja immer nur eine Person, paar Tage später wieder eine und so fort. Das läuft ohne aufzufallen ab.“
Gar nicht so abwegig, dachte Koko, Reinhard könnte sich unter seinen Fliegerkollegen etwas umhören.
Beate fragte ihn: „An welche Möglichkeiten denkst du noch? Du sagtest vorhin, Insel oder Sperrgebiet, das seien nur zwei von vielen … und die anderen?“
„Ein stillgelegtes Bergwerk zum Beispiel, vielleicht außerhalb von Deutschland, eine geschlossene Irrenanstalt, ein ehemaliges Gefängnis. Eine aufgegebene Fabriklandschaft im Ural. Eine Bunkeranlage aus dem letzten Weltkrieg und, und, und …“
An Horst Raabe gingen all diese Spekulationen vorbei. Er versuchte angestrengt, sich an ein Stichwort zu erinnern, das verschwommene Visionen in ihm hervorgerufen hatte. Es fiel ihm nicht ein. Plötzlich schnippte Koko mit dem Finger.
„Marion, dein Einfall ist unbezahlbar! Verbrecherische Forschungslabors, ebensolche Pharmakonzerne, Blutbänke … Handel mit gesundem Blut, womöglich auch Organen! Dass ich darauf nicht längst gekommen bin! Körner muss sich drum kümmern und er braucht zwei oder drei kompetente Helfer.“
Konrad Konrad rief augenblicklich Körner an, betraute ihn mit dem Auftrag, sofort ein entsprechendes Team zu organisieren und in diese Richtungen zu recherchieren.
Dann wandte er sich der Runde zu mit dem nächsten Punkt.
„Ein weiteres Eisen glüht im Feuer, von dem ich mir viel verspreche. Aufgrund des Verdachts, dass der Blumenladen am Hauptfriedhof ein dunkles Geheimnis birgt, hat unser Casanova Kellermann mit der Verkäuferin angebandelt. Sie steht in Flammen. Der Bursche musste sie nicht überreden, morgen nacht wird aus dem Laden ein Liebesnest. Wir können gespannt sein, was er aus ihr herausstreichelt.“
Beate entrüstete sich: „Das ist abscheulich! Wo sind wir denn? In einem James-Bond-Kitsch oder was?“
Jetzt verlor Lydia die Beherrschung. „Abscheulich, sagst du? Selbst wenn so ein harmloses Spielchen Edmund aus den Klauen irgendwelcher Monster befreite? Würdest du das auch dann abscheulich finden, wenn Koko in der Scheiße säße?“
So ausfallend hatten sie Lydia noch nie erlebt und die beiden waren auch noch nie miteinander verkracht. Beate erschrak und wurde bleich. „Entschuldige, ich …“, weiter kam sie nicht, denn Koko mischte sich ein:
„Lassen wir die Moral beiseite, Beate. Kellermann bezirzt kein Unschuldslämmchen. Lolita nimmt’s mit der Liebe nicht so tragisch, sie geht neben ihrem Job sogar anschaffen. Wir müssen unter allen Umständen herausbekommen, womit Sehring hinterm Berg hält. Dass er es tut, steht außer Frage.“
„Es tut mir so leid, Beate, ich wollte dich
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